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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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nicht anders aussah.
    »Der Bonus ist ziemlich reizvoll«, sagte der Älteste Griffin abschließend. »Vierzigtausend Dollar.«
    Ihr Auto war schrottreif, ihre Couch völlig durchgesessen, ihre Jeans an den Knien fadenscheinig. Selbst mit dem Geld, das sie sparte, seit sie ihre Pillen von Lex umsonst bekam, kam sie so gerade über die Runden und konnte sich kaum die Pfeifen und Pillen leisten, die sie bei Bump kaufte, um keinen Verdacht zu erregen, dazu dann noch das Bier und die Zigaretten und die CDs und ... Für vierzig Riesen bekam man eine Menge Zeit im Traumland.
    Sie nickte. »Ich bin dabei.«

5
    Die Toten kennen kein Vergeben und kein Vergessen.
    Sie haben keine Gefühle. Sie entwickeln sich nicht weiter
    und wachsen nicht. Sie bleiben, wie sie waren,
    außer, dass Liebe durch Hass ersetzt wird.
    Das Buch der Wahrheit, »Veraxis«, Artikel 329
    Normalerweise wäre sie in die Bibliothek hinaufgegangen, um Pyles Adresse herauszufinden und eine Anfrage über seine Vermögensverhältnisse und den beruflichen Werdegang einzureichen, aber das war gar nicht notwendig. Die Zeitungsausschnitte und Grundrisse verrieten ihr alles Nötige, um die Adresse zu finden, und die Auskünfte über das Vermögen lagen bereits bei.
    Außerdem war Roger Pyle berühmt. So berühmt, dass sogar Chess wusste, wer er war. Er hatte es mit einer cleveren Nummer als Stand-up-Comedian zu einer eigenen Fernsehserie gebracht, und es ging das Gerücht, dass sein Durchbruch auf der Kinoleinwand kurz bevorstand. Sie hatte seine Sendung, eine Parodie auf einen religiösen Orden aus der Zeit vor der Wahrheit, nie gesehen, aber auch ohne die Fotos in der Akte wusste sie ziemlich gut, wie er aussah.
    Und die Auflistung seiner Vermögensverhältnisse brauchte sie ebenfalls nicht, um zu wissen, dass er wohlhabend war. Pyle täuschte sicher keine Heimsuchung durch einen Geist vor, um an Geld zu kommen. Selbst wenn in seinem neuen Heim gleich mehrere Spukgestalten umgehen sollten, konnte er höchstens auf ein paar Hunderttausend hoffen. Für jemanden wie ihn war das doch nur ein Taschengeld.
    Allerdings gab es auch andere Motive, eine Heimsuchung vorzutäuschen. Vierzig Riesen waren für Chess eine Menge Geld. Sie brauchte es, also musste sie beweisen, dass er log.
    Aber zuerst ... Das Bild der leeren Augenhöhlen ging ihr nicht aus dem Kopf, das Bild und die Gewissheit, dass es wieder passieren würde, wenn sie nichts dagegen unternahm. Ob ein Geist oder ein Mensch dahintersteckte, wusste sie nicht, aber die hervorragend ausgestattete Bibliothek der Kirche war nicht der schlechteste Ort, um mit den Nachforschungen zu beginnen.
    Goody Glass hockte hinter ihrem Schreibtisch wie ein Troll in seinem Sumpfloch. Sogar der übellaunige Gesichtsausdruck passte. Chess musste sich große Mühe geben, sich ihre Verachtung nicht genauso deutlich anmerken zu lassen. Goody Glass hatte sie von der ersten Ausbildungswoche an nicht gemocht, seit sie Chess im Keller mit den Keksen erwischt hatte - mit Keksen, die sie aus der Küche gestohlen hatte.
    Das war ein lässliches Vergehen, aber es war auch nicht das Vergehen selbst, das Goodys Abneigung ausgelöst hatte. Vielmehr hatte jene Entdeckung zu einer weiteren, sehr viel hässlicheren geführt, nämlich dass Chess das Essen gestohlen hatte, weil sie es nicht gewohnt war, regelmäßige Mahlzeiten zu bekommen, denn sie hatte keine Verwandten und keine Familie. Das war seit der Geisterwoche zwar keine ungewöhnliche Lebenssituation, für eine Kirchenangestellte aber sehr wohl.
    Die buschigen Augenbrauen der Goody wölbten sich über den Triefaugen. »Arbeiten Sie an einem Fall, Miss Putnam?«
    »So ist es, Goody.« Chess schwenkte die Akte.
    Wie erwartet wurde sie mit keinem weiteren Wort bedacht. Stattdessen hörte sie das schwache Klicken des Türschlosses zu ihrer Linken und betrat das Sonderarchiv, wo sie wie jedes Mal vom Anblick der Relikte vergangener Religionen in den Bann geschlagen wurde. Sie standen dort in beleuchteten Vitrinen, als warteten sie auf etwas, als hofften sie, sich eines Tages wieder nützlich machen und mehr sein zu können als Antiquitäten.
    Obwohl sie wusste, dass es dafür keinen vernünftigen Grund gab, fühlte sie sich bei dem gütigen Lächeln des fetten Buddhas in der Ecke sicherer. Sie erwiderte das Lächeln und legte ihre Akte und die Handtasche auf einen der langen, leeren Holztische.
    Unter dem schimmernden Goldkreuz an der Wand - auch das ein Symbol einer untergegangenen Religion -

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