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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Roger Pyles Karriere bedeuten konnte.
    Chess musterte das Zimmer mit einem langsamen, gründlichen Rundumblick, während das Spektrometer leise in der neuen Halterung an ihrer Hüfte piepte. Zwei Kommoden und zwei Nachttischchen mit verschnörkelten Griffen an den unteren Türen. In diesem Zimmer gab es von allem zwei. Wie einfallsreich von Kym. Wenn sie sich nicht diesen, sondern einen anderen Mann geangelt hätte, dachte Chess, wäre sie wahrscheinlich eine von den Frauen geworden, die sich Gipsenten an die Wände hängten und Zierteller sammelten.
    Das Spektrometer meldete sich regelmäßig, als Chess jetzt den Fußboden abschritt, schneller am Bett, langsamer am Fenster und dann wieder schneller vor einer verschlossenen Tür auf der rechten Seite des Zimmers. Sie hob den Blick.
    »Ein Bad«, sagte Roger.
    Chess trat ein.
    Nein, Kym Pyle war wirklich keine Frau mit ausgeprägten Hemmungen. Das Badezimmerfenster hatte weder Vorhänge noch ein Rollo; kaltes weißes Licht fiel auf die Marmorwanne, den Boden und den Spiegel rechts von Chess. Im Sommer mochte das hübsch aussehen. Jetzt wirkte es steril und tot wie ein Friedhof. Etwas Lebendiges war allerdings doch im Raum. Das Spektrometer piepte immer weiter, und das schrille Geräusch hallte von den Marmorwänden wider, bis es mehr wie ein lang gezogenes Heulen klang. Chess’ Herzschlag beschleunigte sich. Das Geräusch ihrer Stiefel auf dem glänzenden Boden wurde gänzlich verschluckt, während sie auf der Suche nach der Quelle des Piepens hierhin und dorthin hastete. Auf der Suche nach dem Geist. Sie straffte die Schultern. Sie war nicht allein in diesem Raum, das wusste sie. Tote Augen beobachteten sie von einem Ort aus, den sie nicht sehen konnte. Ihre Haut juckte und kribbelte, als sich die Tätowierungen erwärmten. Sie war gewappnet, worauf auch immer.
    Doch nichts geschah. Nach ein paar Augenblicken entspannte sie sich langsam. Das Piepen des Spektrometers musste nicht bedeuten, dass wirklich ein Geist in der Nähe war; das Gerät reagierte auch, wenn vor Kurzem einer da gewesen war - und außerdem gab es Methoden, illegale Methoden, mit denen man ein Spektro in die Irre führen konnte. Sie sah zwar im Moment nicht, wie - es war nicht genug Platz, um eine solche Vorrichtung zu verstecken -, aber dennoch ...
    Sie schüttelte den Kopf. Es war noch zu früh, um hier von einer echten Erscheinung auszugehen. Sie machte sich bloß verrückt. Blöde Idee. Es war Zeit, mal ein bisschen voranzukommen.
    Erst, als sie sich zum Gehen wandte, bemerkte sie den Geruch. Er war schon aufgetreten, kurz nachdem sie den Raum betreten hatte, aber nur schwach, fast unmerklich. Jetzt, da er ihr aufgefallen war, da sie ihn erkannt hatte, wurde er immer stärker. Tod. Verwesung. Tote Wesen, die sich unter der Erde wanden. Alles, was verdorben und falsch war, steckte in diesem Geruch, wurde darin aufgenommen und zu ihr getragen.
    Sie fühlte sich noch einigermaßen sicher; nicht einmal ihre Tätowierungen kribbelten noch. Aber der Geruch blieb und hing in der Luft wie ein Flüstern. Sie prüfte den Abfluss der Badewanne und fragte sich, ob der Gestank vielleicht von dort kam, aber er war dort nicht stärker.
    Blieben noch die beiden Waschbecken unter dem Spiegel. Ihre Füße bewegten sich wie durch Schlamm. Der Geruch war alles, woran sie noch denken, worauf sie sich noch konzentrieren konnte; ihr Blick verschwamm, ihre Ohren rauschten, ihr Kopf schmerzte.
    Die Becken glänzten makellos weiß in dem dunkelgrünen Waschtisch. Chess hatte den Eindruck, dass der Geruch dort stärker war, konnte es aber nicht mit Bestimmtheit sagen. Fast glaubte sie, nie wieder frische Luft zu atmen, und bei dem Gedanken an die Bakterien, die dieser Geruch mit sich bringen musste, an die Krankheiten und Epidemien, musste sie sich zwingen, die Nase auch noch an das andere Becken zu halten.
    Aber das brauchte sie dann gar nicht mehr. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr. Automatisch drehte sie sich um und sah eine Kakerlake über den Rand des Beckens krabbeln. Ihr ekelhafter schwarzer Körper stach abscheulich von dem makellosen Weiß ab. Eine zweite erschien, und dann noch eine. Chess zwang sich, näher zu treten, wobei sie peinlich darauf achtete, mit dem Waschtisch nicht in Berührung zu kommen, und sah es im Abfluss wimmeln. Da hörte sie auch das trockene Rascheln von Insektenpanzern, die aneinanderrieben.
    Sie ballte die Fäuste. Ein roter Tropfen spritzte aus dem Abfluss und landete auf

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