Seelenzorn

Gedanke gekommen, er könnte nicht zu Hause sein.
    Sie klopfte noch einmal und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Was, wenn ... was, wenn er da drinnen war, aber nicht an die Tür ging? Weil er sie nicht sehen wollte?
    Nein. Das konnte sie einfach nicht glauben. Sie musste mit ihm reden, sie musste ihm alles sagen, und er musste einfach zu Hause sein und sich das anhören, weil sie nämlich recht hatte und weil es verdammt wichtig war.
    Es musste einfach stimmen. Es war die einzige logische Erklärung, aber ... verdammt, es hörte sich schon ziemlich krank an, oder? Wer würde denn für Sex mit einem Geist bezahlen?
    Der Zwölferträger in ihrer Linken wurde ihr langsam zu schwer. Sie klopfte noch einmal und wartete noch eine Minute, während sie den Zwölferträger von einer Hand in die andere wandern ließ. Terrible öffnete die Tür mitten in einem erneuten Wechsel. Sein Gesicht verriet ihr nicht das Geringste. Scheiße.
    »Hi Chess.« Pause. »Alles klar?«
    »Ja, total klar, ähm — hier, ich hab dir ...« Was machte sie hier bloß? Sie hielt ihm das Bier hin und verharrte. Sie hatte ihm Bier mitgebracht; war sie denn eine komplette Idiotin? Sie war gekommen, um ihm etwas Schreckliches zu sagen, und da brachte sie ... ach, scheiß drauf.
    »Ich weiß, was los ist«, sagte sie. »Was die Geister machen und die Mörder. Ich weiß, was sie mit den Nutten anstellen.«
    Okay, jetzt sah er wenigstens interessiert aus. »Ja?«
    »Ja, sie ... sie ficken sie, Terrible. Sie ... sie töten die Mädchen, sperren ihre Seelen ein und ficken sie. Ein Geisterpuff. Unglaublich, dass ich das nicht geschnallt habe, dass ich nicht früher drauf gekommen bin. Aber genau das machen sie. Ich weiß es. Ich weiß es einfach.«
    Er schwieg so lange, dass sie schon glaubte, er würde ihr vielleicht gar nicht mehr antworten und sich einfach umdrehen und ihr die Tür vor der Nase zuschlagen. »Terrible?«
    »Ja. Es ist nur ... bist du sicher?«
    »Ziemlich, ja. Ich meine, das ist doch einleuchtend, oder? Und das Symbol - ich habe in der Kirche eins gefunden, ein älteres, nicht ganz das gleiche, aber es sorgt dafür, dass die Seele den Körper nicht verlassen kann. Das ist nicht wie letztes Mal mit dem Dieb. Das Symbol speist nichts und ist auch keine Kraftquelle, sondern es ... Scheiße, vertrau mir einfach. Ich habe recht. Ich weiß, dass ich recht habe.«
    »Glaub ich dir ja, keine Frage, bloß ... was ist mit Little Tag? Mit den Männern, mein ich? Glaubste, die ... die werden auch benutzt?«
    Ha, darauf hatte sie schon eine Antwort parat. »Die waren Opfergaben. Wahrscheinlich Blut- und Energieopfer, die den Zauber in Gang setzen sollten. Solche Sexmagie, wie ich sie gespürt habe ... die bringen Geister nicht zustande. Dafür braucht man erst mal Macht, wie man sie nur bekommt, wenn man jemandem das Leben nimmt. Sie haben wahrscheinlich die ... ähm, haben den Männern die ... haben bei denen irgendwelche Teile gefehlt?«
    »Ja. Da haben alle möglichen Sachen gefehlt. Und ... tja, genau diese Sache auch. Hab ich vorher gar nicht dran gedacht, so verstümmelt wie die waren. Da war jede Menge weg, Füße, Gekröse und ... einfach ’n ganzer Haufen, weißte?«
    »Das müssen sie gebraucht haben, um den Zauber zu starten.« Sexualorgane, Reproduktionsorgane, trugen selbst nach dem Tod noch so viel Energie in sich. Und das würde auch erklären, warum die Magie so finster gewesen war, warum sie diesen schrecklichen, kribbelnden Irrsinn darin gespürt hatte. Für diesen Zauber waren Männer gestorben, und das hatte die Magie unwiderruflich verdorben, genau wie die Schöpfer des Zaubers.
    Terrible trat von einem Fuß auf den anderen. »Warum? Ich mein, da arbeitet doch ein Mensch mit dem Geist zusammen. Was hat der denn davon?«
    Ach ja, das Motiv, klar. Sie hatte sich fast ausschließlich auf die Mädchen konzentriert, und im Moment schien ihr Gehirn etwa einen Meter über ihrem Schädel zu schweben. »Wenn die beiden miteinander verbündet sind ...«
    ».... dann macht er alles, was den Geist bei Laune hält, schon klar. Macht vielleicht auch ’n bisschen Kohle dabei, oder?«
    Der Karton schnitt ihr inzwischen schmerzhaft in die Hand. So sehr es ihr auch gegen den Strich ging, die gemeinsame Ideenflut zu unterbrechen, und so wenig sie ihn erinnern wollte, warum sie das Bier dabei hatte, wollte sie das schwere Ding doch loswerden, denn ihr wurden langsam die Finger taub.
    »Hier, hab ich dir mitgebracht.« Sie hielt ihm das