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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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war.
    »Okay«, sagte er. Er streckte die Hand mit dem Waschlappen aus, besann sich dann aber wohl eines Besseren und gab ihn stattdessen ihr. Sie wischte sich die klebrigen Finger daran ab, während er mit ihr redete. »Muss mich auf ’n Weg machen. Mein Wagen steht ganz schön weit weg, weißte, hier in der Nähe ist die Straße immer noch nicht geräumt.«
    »Oh.«
    Er griff in die Tasche und zog ein Tütchen hervor. Cepts, vielleicht ein Dutzend. Sie verzieh ihm alles.
    »Damit kommste morgen früh nach Hause, oder?«
    »Bestimmt, ja. Danke.«
    »Alles wieder klar bei dir?«
    Sie nickte und rieb sich die Augen, damit sie ihn nicht ansehen musste. Sie mochte ihm verziehen haben, aber umgekehrt war das offensichtlich nicht der Fall.
    Oder vielleicht auch doch, und es lag nur daran, dass sie hier auf dem Badezimmerboden kauerte, nur wenige Schritte von der Sauerei entfernt, die sie angerichtet hatte, und dass ihr das klatschnasse Haar am Schädel klebte und ihr ganzer Körper blutig und verschwitzt und mit Erbrochenem besudelt war. Genau. Nicht gerade ihr verführerischster Moment.
    »Gut. Ich ... gut. Chess, ruf mich an, wenn du wieder da bist, ja? Hab da ... hab ’n paar Sachen, die Bump erledigt haben will, da müssen wir mal drüber reden.«
    Scheiße. Das war mal etwas, das wirklich für den brutalen kalten Entzug sprach: nämlich dass sie sich so lange nicht den Kopf zerbrechen musste, was Bump von ihr wollte. Oder was sich im Auto abgespielt hatte.
    Aber sie nickte einfach nur, als ob ihr bei diesem Thema nicht eine Zentnerlast auf die Brust drückte. »Ist gut.«
    Einen Augenblick hatte sie das Gefühl, dass er noch mehr sagen würde. Er öffnete den Mund und legte den Kopf schief. Dann hob er die gebrauchte Nadel und den Schlauch auf und steckte alles ein. »Na gut. Bis morgen dann.«
    Sie sah zu, wie er das Zimmer durchquerte, die Leiter aus dem Fenster schob und über den Sims in der Nacht verschwand. Weg war er.
    Weg wie die Geister, die ihr vorhin nicht die geringste Beachtung geschenkt hatten. Sehr merkwürdig. Darüber würde sie sich später Gedanken machen. Im Moment wollte sie einfach nur hier sitzen und sich wohlfühlen, hier sitzen und entspannen.
    Und das dreckige Badezimmer sauber machen, bevor der Morgen graute.
    Sie steckte sich eine frisch gedrehte Tüte zwischen die Lippen und zündete sie an. Fast fünf Uhr. Sie war wieder in ihrer Wohnung. Nichts zu tun, keine Termine. Freizeit fühlte sich merkwürdig an. Sie rechnete die ganze Zeit damit, dass jemand an ihre Tür klopfen und sie in die Kälte hinauszerren würde.
    Aber nichts dergleichen geschah. Sehr gut. Sie wollte sich jetzt wirklich nicht den Kopf über Nutten, Bump oder Lex zerbrechen. Und vor allem nicht über Terrible. Stattdessen sog sie den heißen, beißenden Rauch tief in die Lungen und machte sich daran, die Aufzeichnungen über Fletchers Vermögensverhältnisse durchzublättern, so weit die Kirche sie so kurzfristig hatte beschaffen können. Sie ging die Kontodetails mit kühler Präzision durch, ganz genau so, wie er es sicherlich umgekehrt auch getan hätte.
    Wie fühlte es sich wohl an, derartig reich zu sein? Abgesehen davon, wie viel Vergessen man sich davon kaufen konnte, hatte Geld nie viel Bedeutung für Chess gehabt, aber beim Anblick von Kreditkartenabrechnungen, die zeigten, dass jemand mehr Geld für Schuhe ausgab, als ihr in einem halben Jahr fürs Essen zur Verfügung stand, fiel es nicht schwer, etwas zu empfinden. Einen Anflug von Neid vielleicht oder von Verzweiflung. Die Welt war voll von Männern wie Oliver Fletcher, Männern, denen alles in den Schoß fiel. Was sie taten oder wie sie lebten, interessierte Chess nicht im Geringsten, aber ihr innerer Frieden ... darauf war sie neidisch. Und es sah ganz so aus, als könnte sich Fletcher eine ganze Menge inneren Frieden kaufen - zumindest bis sie genauer hinsah.
    Die Tüte brannte schön gemütlich runter, während sie sich Notizen machte. Abgesehen vom Kratzen des Stiftes auf dem Papier war das gelegentliche Ziehen am Joint das einzige Geräusch. In diese Konten floss zwar jede Menge Geld, aber wenn sie sich nicht täuschte, floss fast genau so viel wieder runter. Raten für sieben geleaste Autos. Kredite für drei Häuser. Treibstoff für das Privatflugzeug. Rechnungen für Designerklamotten, die Chess viermal ansehen musste, um sicherzugehen, dass ihre zunehmend glasigen Augen richtig gelesen hatten. Zahlungen an Managementfirmen, PR-Agenturen,

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