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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
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ein paar hundert Meter vom Yogastudio entfernt. Den Wein nennen wir Yogawein, und tatsächlich, am Dienstagabend wirkt er ganz anders als sonst. Nach nur einem Glas sind wir drei schon betrunken. Die Kellnerin stellt uns immer auch eine Karaffe Leitungswasser und eine Schale Erdnüsse auf den Tisch. Wir sitzen in einem Berg aus weiß-blau geblümten Kissen auf der Fensterbank, lehnen uns an die Scheibe und unterhalten uns. Wir werten die vergangene Woche aus, reden über Beziehungsprobleme, lästern über Kollegen und merken gar nicht, wie die Zeit vergeht. Irgendwann steht dann die Kellnerin an unserem Tisch und entschuldigt sich. »Wir schließen gleich«, sagt sie freundlich und mit einem herrlichen Akzent. Wenn wir das Café verlassen, sind wir so beschwipst, dass man meinen könnte, wir hätten drei Flaschen und nicht drei Gläser Wein getrunken.
    Wenn ich dann angeheitert nach Hause komme, ist es nicht ganz so schlimm, die Wohnung leer vorzufinden. Und trotzdem: Schon auf der Straße werfe ich einen Blick nach oben zu unseren Fenstern. Natürlich weiß ich genau, dass kein Licht brennen kann, aber ich sehe trotzdem nach. Wenn Heribert zu Hause ist, kommt er mir immer entgegen, kaum dass ich durch die Wohnungstür getreten bin. Er gibt mir einen Kuss, nimmt mir die Jacke ab und fragt mich, wie mein Tag war. Heute begrüßt mich niemand. Ich mache das Licht an, ziehe die Tür hinter mir zu und werfe meine Schuhe zu den anderen Schuhen, die sich vor der Garderobe stapeln. Dann wanke ich ins Wohnzimmer. Meine Jacke habe ich noch an. Immerhin blinkt der Anrufbeantworter, denke ich. Es ist mein Kollege Marcus, der fragt, ob ich am nächsten Tag seinen Frühdienst übernehmen könnte. Er hätte heute noch ein vielversprechendes Date mit dem Typen vom vergangenen Wochenende. Er bedankt sich auch schon mal bei mir, dabei habe ich noch gar nicht zugesagt.
    Marcus und ich arbeiten seit fünf Jahren gemeinsam in der Onlineredaktion. Wir mögen uns, und wir haben jede Menge Spaß zusammen. Manchmal lachen die anderen Kollegen, weil wir uns benehmen wie ein altes Ehepaar. Unsere Schreibtische stehen so nah beieinander, dass mindestens einmal am Tag eine von Marcus’ längst geleerten Kaffeetassen auf meine Tischplatte wandert. Demonstrativ schiebe ich die Tasse dann wieder zurück auf seine Seite. Marcus stören die Tassen nicht. Manchmal glaube ich, dass die Tassen für ihn in dem Moment, in dem sie leer sind, unsichtbar werden. Zuweilen stapeln sich die Tassen dann über Tage auf seinem Schreibtisch. Der letzte Rest Kaffee ist schon ganz festgetrocknet. Meistens bin ich diejenige, die dann irgendwann ein Tablett holt und alle Tassen auf einmal zur Spülmaschine bringt. Aus erziehungstechnischer Sicht ist mein Verhalten natürlich eine Katastrophe.
    Ich wanke ins Bad und schreibe Marcus auf dem Weg dorthin eine SMS. Ich wünsche ihm einen gelungenen Abend und übernehme großmütig seinen Frühdienst. Mir passt das gut. Sobald Heribert weg ist, kann ich sowieso nicht mehr lange schlafen. Ich wache morgens auf, wundere mich, dass ich allein bin, erinnere mich und bin dann plötzlich hellwach. Normalerweise versuche ich, noch einmal einzuschlafen. Aber das funktioniert nicht. Wenn Heribert da ist, ist es ganz anders. Dann bin ich eine richtige Langschläferin. Wenn ich wach werde, kuschle ich mich an ihn, spüre das Auf und Ab seines Brustkorbes, bin ganz entspannt und schlafe sofort wieder ein.
    Je eher ich morgen mit der Arbeit beginne, desto früher habe ich Feierabend. Das ist gut, denn morgen bin ich mit Marcel und seinem Freund Andreas verabredet. Die zwei haben mich zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Meine selbstaufgestellte Regel, mich während Heriberts Abwesenheit nicht mit Paaren zu treffen, gilt seltsamerweise nicht für meine schwulen Freunde. Mit ihnen bin ich gern zusammen, ich fühle mich wohl. Außerdem ist Andreas von Beruf Koch, und es gibt immer etwas Gutes zu essen. Wahrscheinlich liegen wir morgen Abend wieder zu dritt auf ihrem Sofa, sehen uns eine DVD an, trinken Rotwein und verdauen unser Abendessen.
    In den ersten Wochen nach Heriberts Abreise bin ich fast jeden Abend verabredet. Das ist ein perfektes Ablenkungsprogramm. Heute Yogawein, morgen Abend Kochen bei Marcel und Andreas, Donnerstagabend gehe ich zum Sushi-Essen mit Meikes Schwester Winnie, Freitagabend steht ein Konzertbesuch mit Peter auf dem Programm, und am Sonnabend gehe ich mit meinem ehemaligen Mitbewohner Ulf ins Theater. Der

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