Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
noch aus meiner Praktikumszeit kannte, und dann waren wir auch schon los. Es war inzwischen 7.30 Uhr. Um 8 Uhr ging meine erste Seewache los. Auf der Brücke traf ich dann zum ersten Mal den Kapitän. Ein netter Mensch. Er meinte nur: »Ab jetzt ist es Ihr Schiff. Wenn etwas ist, rufen Sie mich an. Ich bin auf meiner Kammer.« Und weg war er. Da stand ich nun, die Malakka-Straße vor mir. Es war irgendwie so, als würde man einen Fahranfänger an seinem ersten Tag nach der Führerscheinprüfung in einen LKW setzen und durch die Innenstadt von Saõ Paulo schicken. Aber auch das hat, Gott sei Dank, alles geklappt.
Mittlerweile habe ich einen Schiffsmechaniker, der mit mir Wache geht und dem ich nebenbei noch ein paar Dinge zeigen und erklären soll. Du siehst, hier tut sich was.
Übermorgen werden wir in Durban ankommen. Ich muss zwar im Hafen täglich zwölf Stunden Wache gehen, aber das Erste, was ich mache, wenn ich Zeit habe, ist, mir eine Telefonzelle zu suchen und meine Nancy anzurufen. Ich freue mich schon seit Tagen darauf, endlich mal wieder deine Stimme zu hören! Du fehlst mir so! Ich liebe dich und ich träume jede Nacht von dir!
Vergiss mich bitte nicht!
Dein Seemann Heribert
»Und du bist tatsächlich treu?«, fragt er ungläubig und grinst mich dabei an. Jetzt ist es wieder passiert, denke ich. Ich war wieder einmal zu nett.
»Ja, bin ich. Du kannst deine Bemühungen also einstellen«, antworte ich und grinse zurück. Warum grinse ich? Wahrscheinlich denkt er jetzt, dass ich eine Frau bin, die »Nein« sagt und »Ja« meint.
Ich stehe in einer Bar im Hamburger Schanzenviertel. Meine Freundin Meike steht nur ein paar Meter links von mir. Ich besuche sie übers Wochenende, wir wollten ausgehen, so wie früher. Meike wohnt mittlerweile in Hamburg, sie arbeitet als Redakteurin bei einer Frauenzeitschrift und ist verheiratet mit Laurent, dem Lufthansa-Piloten aus Luxemburg. Laurent ist beruflich gerade in Los Angeles. Vorgestern ist er losgeflogen, übermorgen Abend kommt er zurück.
Es ist 3 Uhr morgens. Wir hatten einen schönen Abend, wir waren tanzen und wollten noch einen Absacker in dieser Bar trinken.
Meike hat gerade einen ehemaligen Kollegen getroffen. Sie ist in ein Gespräch vertieft und merkt gar nicht, dass ich ihre Hilfe brauchen könnte. Der Typ neben mir wird langsam aufdringlich. Er heißt Thomas und arbeitet als freier Filmregisseur, zumindest behauptet er das. Er sieht ganz gut aus, ist aber ziemlich betrunken. In der rechten Hand hat er seine Bierflasche, mit der linken Hand hält er sich am Tresen fest.
Als Meike und ich vor etwa 30 Minuten in die Bar kamen, kämpften wir uns direkt zum Tresen durch. Das war gar nicht so einfach, denn es war brechend voll. Am liebsten wäre ich wieder gegangen, aber Meike wollte bleiben. Wir bestellten zwei Bier, und dann stand auch schon Thomas neben uns. Wahrscheinlich stand er da schon von Anfang an, aber ich hatte ihn nicht bemerkt. Wir hatten noch keinen Schluck von unserem Bier getrunken, als er uns fragte, ob wir etwas mit ihm trinken wollten. Meike und ich sahen uns an, dann mussten wir lachen. Wir wussten nicht, ob es eine ernstgemeinte Frage war oder ein Witz. Als Witz war es ziemlich gut. Der betrunkene Thomas stand da in seinem weißen Hemd und seiner braunen Lederjacke und sah uns irritiert an. Nachdem wir aufgehört hatten zu lachen, prosteten wir ihm zu. Meike unterhielt sich mit ihm, ich konnte nichts verstehen. Ich stand links neben Meike. Die Musik war laut, die Luft stickig. Ich sah mich in der Bar um. Ich stellte wieder einmal fest, dass die Leute in Hamburg viel schicker gekleidet waren als in Berlin. Die Frauen in der Bar trugen fast alle hochhackige Schuhe, manche sogar Kleider. Die Männer hatten fast alle Hemden an, dazu Markenjeans und Lederschuhe. Ich sah wieder zum Tresen und zählte die Flaschen im verspiegelten Regal: 52. Die meisten Etiketten kannte ich noch aus meiner Zeit als Kellnerin in Bremen.
Beim Zählen merkte ich, wie müde ich war. Ich hoffte, dass auch Meike nicht mehr allzu lange durchhalten würde. Ich sah zu ihr hinüber. Sie wirkte noch unglaublich fit. Wie machte sie das nur, fragte ich mich.
Plötzlich sagte sie, sie habe gerade einen alten Kollegen entdeckt, sie verschwand und ließ mich mit Thomas allein. Er kam ein Stück näher und beugte sich zu mir herunter.
»Wie heißt du?«, wollte er wissen. Ich überlegte kurz, was ich ihm sagen sollte. Wenn ich jetzt wahrheitsgemäß mit
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