Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Einwegrasierer in aller Ruhe die noch vorhandenen Borsten ab. Es war ein wirklich skurriler Anblick. Heribert erklärte mir, Spanferkel sei auf den Philippinen ein echtes Festessen und dürfe deshalb bei keiner Familienfeier fehlen. Filipinos sind also echte Spanferkel-Profis.
22.30 Uhr
Der Grillabend war wirklich toll. Es gab Unmengen zu essen. Neben dem Spanferkel gab es auch noch Steaks, Chicken-Wings, Bratwürste, Garnelen am Spieß, mehrere Salate, Knoblauchbrote, Sauerkraut, Reis und so weiter. Zu trinken gab es Bier und Fanta. Die Azubis haben Zigarren geraucht, und der Kapitän hat mehr als drei Worte am Stück gesagt. Ich glaube, ich habe ihn sogar einmal lachen gesehen. Aber nur ganz kurz. Die vier Azubis und der Kapitän saßen an einem Tisch, die Kiribatis und Filipinos an einem anderen. Am dritten Tisch saßen Heribert und ich und die drei Russen. Vladimir, der Elektriker und noch einer, bei dem ich aber immer vergesse, was er eigentlich macht.
Es war richtig gemütlich. Es gab sogar Musik und eine bunte Lichterkette. Die Auszubildenden haben ein Kabel verlegt und eine Musikanlage nach draußen gestellt. Die Filipinos haben bei jedem Lied laut mitgesungen. Irgendwann ging die Sonne unter, und es war ein wirklich traumhafter Anblick. Einer der Kiribatis machte ein Foto von Heribert und mir und brachte uns ein paar Minuten später einen Farbausdruck des Bildes. Ich war sehr gerührt.
Tag 5 – Kurz vor Puerto Cabello (Venezuela)
7.00 Uhr
Laut Fahrplan sollten wir eigentlich genau jetzt in Puerto Cabello einlaufen. Aber unser Liegeplatz war noch immer nicht frei, also haben wir den Anker geworfen. Laut Heribert kann es noch Stunden dauern. Ich glaube, er ist ganz froh, jetzt etwas schlafen zu können.
13.00 Uhr
Wir warten noch immer auf unseren Liegeplatz. Niemand weiß, wie lange das noch dauert. Heribert ist gerade unten in der Kühlkammer und macht gemeinsam mit Cooky und Mr. Steward bei minus 18 Grad eine Inventur der Essensvorräte. Ich war auch kurz unten, aber mir war es eindeutig zu kalt. Auf der Brücke ist der Kapitän, solange Heribert die Inventur macht. Ich warte also lieber in der Kammer.
15.30 Uhr
Heribert kam gerade kurz vorbei. Der Ärmste. Er war total durchgefroren. Über zwei Stunden hat die Inventur gedauert. Jetzt ist er wieder auf der Brücke und wird mich anrufen, sobald der Kapitän gegangen ist. Dann gehe ich nach oben und setze mich zum Lesen auf die Nock. Das Wetter ist herrlich. 29 Grad, blauer Himmel, Sonnenschein, und es gibt so gut wie keine Wellen.
18.30 Uhr
Heribert hat mir gerade meinen Mannschaftsausweis ausgestellt. Der Ausweis sieht wirklich schick aus. Darauf ist mein Foto, ein paar Angaben zu Nationalität, Geburtsdatum, Größe, Gewicht, Haarfarbe und ein Stempel mit Unterschrift, dass ich zur Besatzung gehöre. Mit diesem Ausweis kann ich an Land gehen und komme auch wieder zurück auf das Hafengelände. Ich habe mir vorhin auf der Brücke einen Kaffee gekocht, ein paar Kekse gegessen und mich in die Sonne gesetzt. In dem Moment fühlte es sich fast an, als wäre ich auf einer Kreuzfahrt. Ein bisschen komisch ist es aber schon, hier Urlaub zu machen, während alle um einen herum arbeiten.
Auf der Nock trage ich immer einen Strohhut. Die Hüte hängen auf der Brücke. Damit schützen sich sonst die Besatzungsmitglieder und Lotsen beim Durchqueren des Panamakanals. Dort müssen sie oft stundenlang in der prallen Sonne stehen.
Vorhin hieß es, wir würden um 18 Uhr einlaufen. Noch sieht es aber nicht danach aus. Man kann auch zahlreiche andere Containerschiffe sehen, die alle darauf warten, noch in den Hafen zu kommen.
20.30 Uhr
Der alte Erste Offizier hat heute erfahren, dass er doch noch nicht nach Hause fliegen darf. Vladimir ist wohl noch immer nicht gut genug eingearbeitet. Erst hieß es, der Erste wird von Rio Haina nach Hause fliegen, dann hieß es Puerto Cabello, und nun heißt es Manzanillo in Panama. Er tut mir sehr leid, er hatte sich schon so auf seinen Urlaub und auf seine Familie gefreut. Und die Familie tut mir auch leid. Ich weiß schließlich, wie es sich für die Wartenden zu Hause anfühlt, wenn sich das geplante Wiedersehen immer wieder nach hinten verschiebt.
Heute hat Heribert mir noch ein bisschen das Schiff gezeigt. Er war aber sehr müde, deshalb haben wir es bei den Aufbauten belassen. Aber auch das allein war schon sehr spannend. Vor allem den Behandlungsraum fand ich interessant. Heribert muss als
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