Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
(Venezuela)
9.00 Uhr
Ich kann nicht mehr schlafen. Ich bin aufgestanden, habe geduscht und warte nun darauf, dass ich endlich nach draußen gehen kann. Ich glaube, der Kapitän steht genau vor unserer Tür und sortiert seine kleine Kantine. Direkt neben Heriberts Kammer ist nämlich der Raum, in dem die Zigaretten und der Alkohol gelagert werden. Außerdem Pflegeprodukte wie Zahncreme, Duschgel, Rasierklingen sowie Kaugummis, Postkarten und Schokolade. Jedes Besatzungsmitglied kann einen Bestellschein ausfüllen, diesen dem Kapitän geben, und der legt die gekaufte Ware dann vor die jeweilige Kammer. Das Geld wird dem Besatzungsmitglied direkt von der Heuer abgezogen. Toilettenpapier, Seife und Waschmittel sind kostenlos.
Ich habe gerade keine Lust, dem mürrischen Kapitän in die Arme zu laufen. Selbst wenn ich ihn grüße, grüßt er nie zurück. Am Anfang dachte ich, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass ich nur »Guten Morgen« und nicht »Guten Morgen, Herr Kapitän« gewünscht habe. Mittlerweile habe ich es aber auch mit dem Zusatz versucht und trotzdem keine Antwort erhalten.
Heribert schläft noch. Und wir haben mal wieder den Anker geworfen. Heribert erklärte mir heute Morgen, dass es nicht der Anker an sich sei, der das Schiff an seinem Platz halte, sondern die Ankerkette, weil die so unglaublich schwer sei.
15.15 Uhr
Gerade ruckelt das Schiff. Das heißt, die Maschine wird hochgefahren und gleich geht es los in Richtung Hafen. Der Koch hat übrigens seine Bestellung fertiggemacht. Da Heribert auch für die Verpflegung zuständig ist, gibt der Koch die Bestellliste an ihn. So konnte ich einen Blick darauf werfen. Cooky bestellte unter anderem 200 Toastbrote, 1080 Eier, 50 Kilogramm Zucker, 100 Kilogramm Tomaten und 36 Gläser Nutella. Ich fand die Bestellung so lustig, dass ich mir diese Punkte notieren musste. Natürlich bestellte er auch Unmengen Fleisch und zwei ganze Spanferkel. Von Heribert weiß ich, dass die Bestellung erst einmal zum Kapitän geht. Der kann die Liste dann noch zusammenstreichen.
19.20 Uhr
Nun sind wir in La Guaira. Wir waren beim Abendessen in der Messe, als über die Lautsprecher die Aufforderung des Kapitäns kam, dass sich alle auf ihre Posten zu begeben haben. Ich begleitete Heribert wieder nach vorn. Leider dämmerte es schon, deshalb wurde wieder nichts aus den Fotos. Egal, ein paar Versuche habe ich schließlich noch. Landgangspässe gibt es hier leider nicht. Eigentlich schade. Doch ich glaube, dass Heribert im Augenblick ganz froh darüber ist.
Nachher wollen wir noch eine Runde Tischtennis spielen. Es gibt nämlich einen Tischtennisraum an Bord. Und jetzt, wo wir im Hafen sind, schaukelt das Schiff nicht so.
Tag 8 – La Guaira (Venezuela)
10.50 Uhr
Heribert hat gerade den zweiten Teil der Schiffsführung mit mir gemacht. Wir waren in den Vorratskammern, und er hat mir gezeigt, wo die Ersatzteile gelagert werden. Dann sind wir ganz nach vorn gegangen. Wir kletterten in einen leeren Laderaum, wir waren in der Werkstatt und in dem Raum, in dem alle Farben gelagert werden. Dort stank es entsetzlich, und es war unfassbar heiß.
220 Container sollen in La Guaira gelöscht werden. Und das alles mit den kleinen, schiffseigenen Kränen. Das kann dauern.
Tag 9 – Auf dem Weg nach Aruba
9.45 Uhr
Seit ca. 2 Uhr morgens fahren wir wieder. Heribert hatte seine Ladungswache, dann half er beim Ablegen, und dann musste er auch schon wieder auf die Brücke. Er meinte, dass wir gegen 15 Uhr den Anker werfen würden, um dann mal wieder auf einen Liegeplatz zu warten. Irgendwie besteht dieser Job nur aus Warten.
12.00 Uhr
Heute Mittag war das Essen zum ersten Mal eine Katastrophe. Es gab total fettiges Schweinefleisch, dazu verkochte Kartoffeln und geschmacklosen Rotkohl. Der Kapitän hat die gesamte Bestellliste des Kochs gestrichen und von ihm verlangt, dass er sie komplett neu schreibt. Natürlich in abgespeckter Form. Der arme Cooky. Das furchtbare Essen heute war wahrscheinlich seine Art der Rache.
15.00 Uhr
Ich habe gerade eine Führung durch den Maschinenraum bekommen. Herr Zink, der Azubi, hat mir alles gezeigt und erklärt. Auch das war interessant. Ich trug meinen Overall und Ohrenschützer. Im Maschinenraum war es laut, heiß (38 Grad) und schmutzig. Es gibt drei Turbinen, sieben Zylinder, pro Tag werden durchschnittlich 55 Tonnen Treibstoff verbraucht. Mehr konnte ich mir leider nicht merken. Der Dritte Ingenieur, ein Filipino,
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