Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Urlaubs viel unterwegs sein würde, dass er viele Freunde und seine Familie besuchen wollte und auch selbst viele Besucher empfangen würde. Ich wollte ihm die Koordination erleichtern. Wütend verstaute Heribert meinen Plan in seinem Schreibtisch. Ein paar Tage später, Heribert telefonierte gerade mit seinem Freund Hoize, holte er den Plan wieder hervor. Die beiden wollten ein gemeinsames Wochenende vereinbaren. »Warte mal, Hoize, meine liebe Freundin hat mir einen genauen Zeitplan ausgearbeitet. Darauf kann ich ablesen, an welchem Tag und von wann bis wann ich Zeit für dich habe.« Er sagte das nicht nur mit ironischem Unterton, sondern auch so laut, dass ich es im Nebenzimmer hören konnte. Von diesem Zeitpunkt an aber nutzte er den Plan tatsächlich, er trug sogar eigene Termine und Verabredungen ein. Vor mir allerdings versteckte er das A4-große Blatt.
Als Heribert das nächste Mal nach Hause kam, hatte ich absichtlich keinen neuen Plan für ihn gebastelt. Doch er beschwerte sich. Er bat mich darum, ihm nachträglich noch einen Urlaubsplan anzufertigen. Für die bessere Koordination seiner Urlaubszeit. Mittlerweile gehört auch dieser Plan zum festen Bestandteil auf jedem Willkommenstisch.
Ich stehe vor den Süßigkeiten und packe Heriberts Lieblingsschokoladentafeln in meinen Einkaufskorb. Immer wieder entdecke ich eine weitere Sorte, die er gerne mag. Immer mehr Tafeln stapele ich im Korb übereinander. Ich übertreibe es wieder einmal. Es ist immer das Gleiche. Als ich mich endlich von den Süßigkeiten losreiße, gehe ich zum Regal mit der Konfitüre. Ich brauche ein neues Glas Nutella. Dann hole ich seine Lieblingssalami, ein paar Tüten Kartoffelchips und zu guter Letzt zwei Flaschen Spezi. Den Rest kann ich immer noch besorgen, denke ich. Ich gehe zur Kasse und stelle mich an das Ende der Freitagabend-Schlange.
Sobald ich Heriberts genauen Heimkehrtermin kenne, gebe ich immer allen Bescheid. Ich telefoniere mit seinen Freunden und schreibe zahlreiche E-Mails. Auch seine Familie kontaktiere ich. Am Anfang war es mir etwas unangenehm, besser über Heribert informiert zu sein als seine eigene Mutter. Ich fürchtete, sie könnte eifersüchtig sein, weil er von unterwegs viel öfter bei mir anrief als bei ihr. Aber sie war nicht eifersüchtig, zumindest ließ sie es mich nie spüren. Ich glaube, sie fand es sogar gut, dass ich mich um alles kümmerte. Mittlerweile ist es zur Normalität geworden, dass sie mich anruft, wenn sie wissen will, wie es ihrem Sohn geht, oder wenn sie eine Nachricht für ihn hat.
Normalerweise ist es immer so, dass ich Heribert ganz allein vom Flughafen abhole. Das ist mir wichtig. Genauso wichtig, wie es mir ist, ihn allein zu verabschieden. Die Zeit kurz vor der Trennung und kurz nach dem Wiedersehen ist etwas ganz Besonderes. Es ist etwas sehr Intimes, da möchte ich keine Zuschauer.
Wenn Heribert nach vier Monaten endlich nach Hause kommt, stehe ich immer am Flughafen und bin wahnsinnig nervös. Jedes Mal habe ich panische Angst davor, dass die Liebe weg sein könnte, dass er vor mir steht und ich nichts mehr fühle. Dass ich ihn nicht mehr attraktiv finde, ihn nicht mehr riechen kann. Oder noch schlimmer: dass er mich nicht mehr liebt. Ich habe Herzklopfen und weiche Knie. Doch dann sehe ich ihn. Jedes Mal gut zehn Kilogramm leichter als beim Abschied, braungebrannt, seinen riesigen Seesack auf dem Rücken. Wenn er dann vor mir steht, gutaussehend, gutriechend und mit seinem umwerfenden Lächeln, nehmen wir uns in die Arme, und sofort schießen mir Tränen in die Augen.
Heribert fremdelt zunächst immer etwas. Er kann mir nicht richtig in die Augen sehen. Er wirkt ganz schüchtern. Meine stürmischen Umarmungen und meine ständigen Küsse sind ihm zu viel. Er braucht immer erst ein paar Stunden, um wirklich anzukommen. Manchmal braucht er auch ein paar Tage.
Diesmal wird unser Wiedersehen zum ersten Mal anders sein. Ein paar seiner Freunde haben bereits angekündigt, nach Berlin zu kommen, um ihn, den neuen Kapitän, gebührend in Empfang zu nehmen. Ich finde das gut. Schließlich wurde er befördert, und deshalb muss das Ganze auch etwas anders ablaufen als sonst.
Schon vor Wochen habe ich im Internet ein paar Kapitänsmützen bestellt. Ich stelle mir vor, wie ich mit seinen Freunden am Flughafen stehe. Wir alle winken ihm hinter der Glasscheibe zu, und Heribert, der noch am Gepäckband steht und auf seinen Seesack wartet, sieht uns, und die ganze Situation ist ihm
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