Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
fröhliche Weihnachten, meine liebe Nancy!
Ich liebe dich!
Dein Seemann Heribert
PS: Immerhin sechs (kleine) Seiten!
Laurent holt die Sektflaschen aus dem Kühlschrank und gießt deren Inhalt vorsichtig in die Gläser. Die Hibiskusblüten habe ich schon vorher verteilt, sie öffnen sich nun ganz langsam und schwimmen inmitten der perlenden Flüssigkeit nach oben. Der Sirup verleiht dem Sekt einen leichten Rosé-Ton. Ich beobachte die Blüten und denke wehmütig an den Silvesterabend vor einem Jahr.
Es sind noch fünf Minuten bis Mitternacht. Wir haben das Activity-Spiel unterbrochen, Meike hat den Fernseher angemacht. Die ARD schaltet von der Stadlparty mit Andy Borg aus Klagenfurt gerade live zum Brandenburger Tor nach Berlin.
Wir hatten bisher einen wirklich lustigen Abend. Neben Meike und Laurent sind noch ein weiteres verheiratetes Pärchen, ein unverheiratetes schwules Pärchen, ein schwuler Single-Mann, eine Single-Frau und ich hier. Es ist eine nette Runde. Die Teams für das Activity-Spiel haben wir ausgelost. Ich spiele im Dreierteam mit Georg und Ralf. Georg ist Musiker und verheiratet mit Christine. Ralf ist Sänger und mit seinem Freund Daniele hier. Im Moment führen wir drei sogar. Allerdings nur sehr knapp.
Wir stehen alle im Wohnzimmer dieser riesigen, schicken Eppendorfer Altbauwohnung, halten unsere Sektgläser in der Hand und starren erwartungsvoll auf den Bildschirm. Der Countdown läuft.
»ZEHN, NEUN, ACHT …«
Was mache ich eigentlich, wenn es Mitternacht wird? Die Paare werden sich umarmen. Ich muss mich also an die Singles halten.
»SIEBEN, SECHS, FÜNF …«
Aber drei Personen sind für eine Umarmung auch einer zu viel.
»VIER, DREI, ZWEI …«
Außerdem kennen die beiden sich schon viel länger. Aber muss man sich denn immer gleich umarmen? Reicht es nicht, wenn wir nur miteinander anstoßen?
»EINS, N U L L!«
In Berlin beginnt das neue Jahr mit einem lauten Knall und einem Feuerwerk. Auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor steht Paul Potts und singt »What A Wonderful World«. Im Hamburger Wohnzimmer von Meike und Laurent umarmen sich jetzt alle. Ich starre noch immer auf den Bildschirm und frage mich, warum Heribert mich eigentlich noch nicht angerufen hat. Ich hatte fest mit einem Anruf vor Mitternacht gerechnet. Danach kommt man schließlich nur noch sehr schwer durch. Ich hole mein Telefon aus meiner Hosentasche, sehe auf das Display, und just in diesem Moment fängt es an zu klingeln.
»Happy New Year«, sage ich erleichtert und gehe mit dem Telefon am Ohr in die Küche.
»Also bei mir dauert es noch ein paar Stunden. Aber alles Liebe und Gute für dich, mein Engel!«
»Ich habe schon gedacht, du hättest mich vergessen.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich dachte, du meldest dich vor zwölf.«
»Ja, das hatte ich eigentlich auch vor, aber ich bin nicht durchgekommen. Aber jetzt ist es Punkt zwölf. Das ist doch auch nicht schlecht, oder?«
»Ja. Super Timing!«
»Feiert ihr schön?«
»Ja schon, aber ich bin auch etwas traurig. Ich muss die ganze Zeit an unser gemeinsames Silvester in Sydney denken.«
»Ach Nancy, sei bitte nicht traurig. Freu dich lieber über all die schönen Erinnerungen. So mache ich es auch immer. Aber sag mal, warum hast du mir vorhin eigentlich geschrieben, ich soll mir heute eine gelbe Unterhose anziehen?«
»Weil das Glück bringt in Venezuela. Ich habe da mal etwas für dich recherchiert. In Venezuela trägt man an Silvester gelbe Unterwäsche. Gold geht auch.«
»Ich habe leider weder gelbe noch goldene Unterwäsche. Aber ich kann mich mal bei der Besatzung umhören, wenn du willst. Hast du eigentlich auch recherchiert, was passiert, wenn man sich den Gepflogenheiten des Landes nicht anpasst?«
»Ich fürchte, dann sieht es nicht gut für dich aus.«
»Aber wir sind außerhalb der Seegrenze. Vielleicht komme ich ja mit einem blauen Auge davon.«
»Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen. Hab ich mich eigentlich schon für den Brief bedankt?«
»Ja, hast du. Vorhin per SMS.«
»Und habe ich auch schon erwähnt, dass es das schönste Geschenk war, das du mir machen konntest?«
»Ja, auch das hast du geschrieben. Aber weißt du noch, wie du mich Weihnachten zusammengestaucht hast, weil ich dir nicht mehr so oft schreibe?«
»Ja, ich erinnere mich. Und ich weiß, dass du den Brief schon vorher geschrieben hast. Tut mir leid, dass ich so zickig war.«
»Es sei dir verziehen.«
»Wann ist bei euch eigentlich der
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