Seepest
Vereinigung engagierter Naturschützer, hatte er sich für sie
als wertvoller Ratgeber erwiesen. Danach war die Verbindung wieder abgerissen.
Als jedoch vor wenigen Tagen die Havarie der »Prestige« vor der galicischen
Küste bekannt wurde und sich abzeichnete, dass Karin wegen der Zusammenhänge
mit Biotecc vor Ort recherchieren würde, hatte sie sofort an Pablo gedacht und
ihn kurz entschlossen angerufen. Zu ihrer Überraschung stellte sich heraus,
dass er sich aus demselben Anlass bereits in La Coruña aufhielt. Spontan hatte
er sich bereit erklärt, sie unter seine Fittiche zu nehmen.
Das ständige Stop-and-go brachte Karin wieder in die
Gegenwart zurück. War schon das erste Drittel des Weges – immerhin eine gut
ausgebaute Autobahn! – völlig überfüllt gewesen, so hatte das Gewühle auf der
nachfolgenden Etappe eher noch zugenommen. Die schmale Landstraße, die sich in
endlosen Kurven durch die wilden Berge der Costa da Morte schlängelte, glich
einer Heerstraße. Lastwagen, Planierraupen, Militärtransporter und Traktoren
mit schaufelbewaffneten Trupps auf den Hängern kamen ihnen entgegen oder
schwammen mit ihnen dem Meere zu. Karin hatte den Eindruck, als herrschte an
der Küstenfront permanenter Schichtwechsel. Dazwischen immer wieder neugierige
Landbewohner und Gaffer aus der Stadt, die »nur mal eben einen Blick in die
schwarze Hölle« werfen wollten – alles in allem ein unbeschreibliches
Durcheinander.
In Vimianzo, dem letzten nennenswerten Ort vor ihrem
Ziel Muxía, machten sie eine kurze Pause. Wie das ganze Dorf, so war auch die
Bar an der Hauptstraße total überfüllt. Ehemals weiß gekleidete Helfer, jetzt
über und über mit schwarzem Teer bekleckst und einen durchdringenden Ölgeruch
verbreitend, tranken stehend ihren Espresso oder ihr cerveza .
Auch Soldaten und einige Fotoreporter hatten sich zu einer kurzen Rast
eingefunden; es wurde in vielen Sprachen parliert.
Neben Karin unterhielt sich eine kleine Gruppe Männer
in deutscher Sprache. Es stellte sich heraus, dass sie zum Technischen
Hilfswerk gehörten und aus Köln stammten.
»Wie sieht’s da vorn aus?«, fragte Pablo ihren
Wortführer und deutete dabei vage nach Westen.
»Frag lieber nicht, es ist die reinste Sisyphusarbeit!
Nachdem die Armee gestern endlich Soldaten angekarrt hat, kommen wir seit Tagen
zum ersten Mal wieder ins Hinterland, um frische Luft zu schnappen. Der Gestank
macht dich fertig – und dass du kein Ende siehst! Mehrfach hatten wir schon
einen Strandabschnitt sauber, da verölte die Flut alles wieder aufs Neue, sogar
noch schlimmer als zuvor. Die Küstenbewohner hier tun mir echt leid! Wir fahren
ja irgendwann wieder weg, aber deren Existenz ist für lange Zeit im Eimer,
fürchte ich.«
»Wo seid ihr eingesetzt?«
»In einem Strandabschnitt westlich von Muxía.«
»Habt ihr dort den Helikopterlandeplatz bemerkt?«
»Klar, der ist nicht zu übersehen … und vor allem
nicht zu überhören. Gestern ist wohl noch eine Maschine dazugekommen.«
»Ah ja, interessant«, nickte Pablo zufrieden.
Sie wünschten den Männern alles Gute und gingen wieder
nach draußen. Während sich Pablo an seinem Landrover zu schaffen machte, fragte
Elena Karin: »Weißt du übrigens, dass keine zwanzig Kilometer von hier der berühmteste
Ort der Todesküste liegt?«
»Du meinst das Kap Finisterre, das Ende Europas, nicht
wahr?«
»In der Antike hat man es sogar für das Ende der Welt
gehalten.«
»Moment mal … das Ende der Welt, sagst du?« In Karins
Kopf hatte etwas klick gemacht. »Kann es sein, dass man in La Coruña ein Hotel
danach benannt hat?«
»Klar doch, das ›Finisterre‹. Ziemlich teurer
Schuppen, fünf Sterne, soweit ich weiß. Warum fragst du?«
»Ooch, nichts weiter. Ist mir gerade so eingefallen.«
Das also hatte Alex gemeint, als er ihr nachrief, er wohne am Ende der Welt,
überlegte sie.
»Wenn man den Leuchtturm des Kaps besucht«, plapperte
Elena weiter, »könnte man tatsächlich meinen, am äußersten Rand der Erdscheibe
zu stehen. Aber das ist … wie sagt man bei euch? … eine Ente.« Sie kicherte.
»Heute weiß man, dass der westlichste Zipfel Europas in Wirklichkeit etwas
weiter nördlich liegt, am weithin unbekannten Kap Touriñán.«
Pablo, der sich gerade wieder zu ihnen gesellte, hatte
die letzten Worte mitbekommen. »Lasst uns etwas Näherliegendes besprechen. Rund
einen Kilometer vor Muxía befindet sich links von der Straße ein kleines,
aufgelassenes Gehöft. Dort hat Biotecc
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