Seepest
Fiona. Sie hatte mal wieder versucht, es sich auf seinem Bauch gemütlich
machen und durch beständiges Treten mit den Vorderpfoten ihr Lager bereitet, um
sich schließlich zusammengerollt darauf niederzulassen. Bis er sie mit einer
heftigen Armbewegung hinabgefegt hatte.
Erleichtert fiel er auf das Kissen zurück. Jetzt war
ihm auch die Ursache des Schrillens klar. Es war das Telefon!
Da das Geräusch noch immer nicht enden wollte, tastete
er träge nach dem Hörer und meldete sich. Dabei streifte sein Blick die
Leuchtziffern auf dem Wecker: zehn vor fünf. Was, zum Teufel, konnte den
Anrufer dazu treiben, ihn zu dieser unchristlichen Zeit aus dem Schlaf zu
klingeln?
»Morgen, Leo«, dröhnte der Kollege von der
Bereitschaft. »Entschuldige, wenn ich dich aufgeweckt habe, aber es gibt da
was, was dich interessieren dürfte …«
»Nicht so laut«, mahnte Wolf schläfrig. »Hat das nicht
Zeit bis später?«
»Sie haben Leschek.«
»Welchen Leschek?«
»Den, nach dem ihr fahndet … du erinnerst dich?«
Erneut fuhr Wolf aus seinem Kissen hoch.
»Vor einer Stunde«, fuhr der Kollege fort, »wollte er
bei Lindau die Grenze passieren, da haben sie ihn festgenommen. War ganz schön
renitent, der Typ. Am Vormittag wird er nach Überlingen überstellt. So, mein
Lieber, jetzt kannst du weiterpennen.«
Wolf legte wortlos auf. »Armleuchter«, brummte er
verärgert.
Der vergangene Abend fiel ihm wieder ein: der
überraschende Besuch seines Sohnes, die ebenso kurze wie fruchtlose Debatte,
sein schlechtes Gewissen danach … aufgewühlt hatte er sich noch einmal
angezogen, sich eine Gitanes angesteckt und den Weg in Richtung See
eingeschlagen. Als es fröstelig wurde, hatte er sich ins Restaurant Jehle
gesetzt und kurzerhand eine Portion Geschnetzeltes mit Reis bestellt, dazu
einen Hagnauer Müller-Thurgau, dem alsbald ein zweiter gefolgt war, später
sogar ein dritter.
Ah ja … das war die Erklärung für seine Alpträume! Und
den schweren Kopf.
Stöhnend erhob er sich und wankte ins Bad.
Eineinhalb
Stunden später stieg er hinter der Polizeidirektion vom Bike, wie Terry seinen
Drahtesel vermutlich bezeichnet hätte. Obwohl der SWR für diesen Morgen Regen
vorhergesagt hatte, war kein Tropfen gefallen. Glück muss der Mensch haben,
dachte Wolf und machte sich an den Aufstieg zu seinem Büro.
Es hatte den Anschein, als wäre seine Glückssträhne
noch nicht zu Ende. Auf seinem Schreibtisch fand er zwei KTU -Berichte, die er kurz überflog, sowie ein Kuvert,
das ein Blatt mit ausgeschnittenen Druckbuchstaben enthielt. Im ersten Moment
fühlte er sich an einen Fernsehkrimi erinnert. Es dauerte seine Zeit, bis er
den Text entziffert hatte. Umso größer war danach seine Verwunderung.
»Kriegen Sie raus, wofür Biotecc
vor zwei Tagen 320.000,– Euro nach Spanien transferiert hat«, stand da. Nichts weiter – kein Datum, kein Absender und ziemlich
sicher auch keine Fingerabdrücke.
Er wollte das Schriftstück eben zur Seite legen, da
trudelten Jo und Terry ein. »Hier, seht euch das an!«, meinte Wolf und hielt
ihnen das Blatt hin.
»Was soll der Scheiß?«, fragte Terry, als er das
Pamphlet gelesen hatte.
»Das frag ich mich auch, Chef«, hieb Jo in dieselbe
Kerbe. »Wie soll das gehen? Schneidewind würde uns was husten, sollten wir mit
Verweis auf diesen Wisch einen Durchsuchungsbeschluss oder eine Genehmigung zur
Konteneinsicht beantragen.«
»Keine Frage. Aber ist euch eigentlich schon aufgefallen,
dass wir mit zunehmender Häufigkeit auf den Namen Biotecc stoßen?«
»Oder gestoßen werden«, wandte Jo ein.
»Meinetwegen auch gestoßen werden – äh, haben wir
eigentlich schon Kaffee?«
»Sie sind gut! Wer sollte den Ihrer Meinung nach
gekocht haben?«, entgegnete Jo vorwurfsvoll. »Sie haben uns ja gleich bei
unserem Eintritt überfallen.«
»Ich könnte welchen aus dem Automaten holen«, bot sich
Terry an.
»Oh nein, alles, bloß das nicht«, winkte Jo ab und
machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
Wenig später saßen sie an Wolfs Besprechungstisch.
»Dann lasst uns jetzt den wirklich wichtigen Dingen Aufmerksamkeit schenken«,
eröffnete Wolf. »Ich habe hier die vorläufigen Untersuchungsberichte von der KTU über die in Brand gesetzte Jacht bei Bodman und den
Anschlag auf dem Haldenhof. Offenbar lagen wir richtig mit unserem Verdacht,
dass die Jacht als Aufenthaltsort des entführten und immer noch verschwundenen
Erich Rottmann diente. Interessanterweise fanden die Kollegen
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