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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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mit Freude in die Pfanne hauen, da bin ich mir
sicher. Wie heißt es doch so schön: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Tja,
meine Liebe, Ihre Tage in Freiheit sind gezählt.«
    Wie Peitschenhiebe waren Karins Worte auf Ulla
Gauß-Rottmann niedergeprasselt – und hatten die sonst so herrische Frau auf
seltsame Weise verwandelt. Als hätte sie erst in dieser Sekunde die
Aussichtslosigkeit ihrer Pläne begriffen, wich plötzlich die Farbe aus ihrem
Gesicht, kraftlos fielen ihre Schultern nach vorn, sie wirkte fahrig und
orientierungslos. Binnen weniger Sekunden war sie zu dem geschrumpft, was sie
wirklich war: die von Gier und Missgunst zerfressene unbedeutende Schwägerin
eines Tycoons, der ihr im Kampf um die Macht ihre Grenzen aufgezeigt hatte.
    Haltlos fiel sie in einen der herumstehenden Sessel.
    Nun
hielt auch Wolf den Moment für gekommen, ins Rampenlicht zu treten. Mit den
Worten »Es gibt noch einen weiteren Zeugen, mit dem Sie nicht gerechnet haben –
nämlich mich!« trat er vor sie hin. Den Anwesenden schien es, als sei er aus
dem Nichts aufgetaucht; Karin und Manu, denen Wolf im Vorübereilen kurz
zunickte, sperrten Mund und Augen auf.
    Wie von der Tarantel gestochen sprang Ulla
Gauß-Rottmann auf. »Sieee? Wie lange sind Sie schon hier? Wer hat Sie
reingelassen?«, fragte sie stockend und machte Anstalten, mit beiden Fäusten
auf Wolf loszugehen. Doch Terry, der sich dicht hinter Wolf gehalten hatte,
drückte sie wieder in ihren Sessel zurück.
    »Schön ruhig bleiben«, ermahnte er sie.
    Ihre Reaktion war nur zu verständlich. Spätestens bei
Wolfs Erscheinen musste ihr klar geworden sein: Das Spiel war aus! Rien ne va
plus!
    »Wir sind nicht hier eingebrochen, falls Sie das
meinen«, erklärte ihr Wolf. »Die Tür war freundlicherweise nur angelehnt, und
so haben wir ein bisschen gelauscht. Gratuliere, Frau Winter, Sie haben die
richtigen Fragen gestellt, und die Antworten darauf waren mehr als erhellend.
Nur eines möchte ich von Ihnen gerne noch wissen, Frau Gauß-Rottmann: Warum
haben Sie diese unsägliche Ölpest vor der Insel Mainau inszeniert? Schließlich
sind Sie damit ein immenses Risiko eingegangen – und gemessen an der ungleich
größeren Katastrophe vor der galicischen Küste war das doch geradezu ein
Nasenwasser. Warum also?«
    Während er sprach, hatte er aus den Augenwinkeln
mitverfolgt, wie Jo ganz nach Absprache an der Terrassentür Stellung bezog, um
Warholls mögliches Eingreifen im Keime zu ersticken.
    Abfällig starrte Ulla Gauß-Rottmann ihn an, ihr Mund
verzog sich zu einem hämischen Grinsen. »Darauf können Sie sich wohl keinen
Reim machen, was? Hab ich von einem einfachen Beamten auch nicht anders
erwartet. Dann will ich Sie mal nicht länger auf die Folter spannen, mein
Lieber: Das, was Sie die ›Ölpest vor der Mainau‹ nennen, war in Wahrheit nichts
weiter als ein gigantischer PR -Gag! Er sollte uns
bei den Mineralölmultis hoffähig machen. Und das hat er … ach, was sag ich,
umschwirrt haben die uns wie die Motten das Licht. Und nicht nur die …« Sie
stockte, als fürchte sie, zu viel zu verraten.
    »… sondern auch Ihre liebe Konkurrenz, wollten
Sie sagen«, vollendete Wolf den angefangenen Satz.
    Erstaunt sah sie ihn an, um dann widerwillig zu
nicken. »Jedenfalls waren, quasi aus dem Nichts, unsere Aktien plötzlich um den
Faktor zehn gestiegen … und sie steigen weiter. Die Folgen dieser Hausse
allerdings werden Sie wohl kaum ermessen können.«
    »Klar … bin ja auch nur ein einfacher Beamter«,
entgegnete Wolf spöttisch. Plötzlich bekam seine Stimme einen amtlichen Klang,
er richtete sich auf und sah ihr voll ins Gesicht: »Machen wir dem Spiel ein
Ende, Frau Gauß-Rottmann: Ich nehme Sie vorläufig fest wegen des Verdachts, an
der Ermordung von Rolf Kauder und Ibrahim Abul sowie dem Molekularbiologen Paul
Stratton und, nach dem momentanen Stand der Dinge, Ihrem Schwager Erich
Rottmann beteiligt gewesen zu sein. Eventuelle weitere Straftaten mit Ihrer
Beteiligung werden derzeit noch ermittelt. Ich mache Sie darauf aufmerksam,
dass alles, was Sie von nun an sagen –«
    »Ich bitte Sie, ersparen Sie mir diesen Sermon. Kann
ich wenigstens ein paar Kleinigkeiten mitnehmen?«
    Wolf zögerte kurz, dann nickte er. Sie nahm ihre
Tasche und verschwand in dem Flur, der in die dahinterliegenden Räume führte.
    Noch lange danach würde Wolf sich fragen, weshalb er
sie nicht nach Waffen durchsucht oder ihr wenigstens einen Aufpasser mitgegeben
hatte.

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