Seepest
plötzlich Zweifel. War es möglich, dass sie den Bogen
überspannte? Dass sie sich in Dinge einmischte, von denen sie nichts verstand?
Womöglich würde ihr Wolf den Kopf abreißen, wenn er das spitzkriegte. Sollte
sie das Gespräch abbrechen oder weitermachen?
Schnell warf sie einen Blick zu Manu hinüber; auch
diesmal schienen sie sich einig zu sein: Weitermachen! Wer konnte wissen, ob
diese Frau sich jemals wieder so weit aus der Deckung wagte? Noch einmal holte
Karin tief Luft, ehe sie fortfuhr: »Warum geben Sie’s nicht zu? Sie waren doch
nur sauer, dass Stratton den Erfolg für sich beanspruchte – den Erfolg, der
nach Ihrer Auffassung Ihrem Sohn zustand. War es nicht so?«
»Ach hören Sie doch auf! Mein Sohn ist eine Null, ein
Aufschneider, ein jämmerlicher Versager«, entgegnete Ulla Gauß-Rottmann
schneidend. »Bedauerlich, dass ausgerechnet ich als seine Mutter das sagen
muss. Mehr als einmal hab ich gedacht: Das kann nicht dein Sohn sein … nicht
der! So schlaff, so nachgiebig, so unentschlossen.« Sie brachte ein
verkniffenes Lachen zustande. »Er war sogar zu doof, um Strattons
Aufzeichnungen zu kopieren. Nur bei den Weibern ließ er den großen Maxe
raushängen.«
Einen Augenblick lang war Karin wie vor den Kopf
geschlagen. Zwar hatte sie es insgeheim vermutet – mit dieser Aussage aber war
es zur Gewissheit geworden: Nicht Alex war der »böse Bube«, wie sie lange
angenommen hatte; nicht er hatte sie die ganze Zeit
über an der Nase herumgeführt. In Wirklichkeit war er nichts weiter als ein
Tarnobjekt gewesen, ein Werkzeug, eine Marionette – die Marionette seiner
Mutter!
Sie und niemand sonst hatte von Anfang an hinter den
verbrecherischen Plänen gesteckt … sie und ihre Gier nach Geld und Macht!
Mit höhnischem Auflachen fuhr Ulla Gauß-Rottmann fort:
»Nun fragen Sie sich, warum ich Ihnen das alles erzähle, nicht wahr? Freuen Sie
sich nicht zu früh! Sie mögen es geahnt haben – aber was zählen schon Ahnungen,
noch dazu vor Gericht? Die Herrschaften dort verlangen Beweise … und die gibt
es nicht, da hab ich vorgesorgt. Natürlich werde ich alles, was Sie hier gehört
haben wollen, bestreiten«, und mit einem Blick auf Manu fügte sie hinzu: »Da
kann auch Ihre Zeugin nichts dran ändern. Ohnehin wird in wenigen Tagen der
ganze Spuk vorüber sein, dann bin ich weg, auf Nimmerwiedersehen verschwunden.«
Mit theatralischer Geste breitete sie die Arme aus, als blicke sie in Glück
verheißende Ferne.
Vermutlich hat sie sogar recht, dachte Karin,
vergeblich bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Durchtrieben, wie das Weib
war, hatte sie ihren Abgang von langer Hand vorbereitet und alle Spuren
sorgfältig getilgt … zumindest erweckte es den Anschein.
Was konnte sie dem noch entgegensetzen? Vielleicht
einen weiteren Bluff? »Wenn Sie sich da mal nicht irren«, versuchte sie ihr
Glück. »Es gibt durchaus Beweise. Die Attentäter, die die Sprengladung auf der
›Prestige‹ angebracht und gezündet haben, sind inzwischen geständig. Sie
schwören Stein und Bein, ihren Auftrag von Biotecc erhalten zu haben –«
»Ich bitte Sie!«, winkte Ulla Gauß-Rottmann kalt
lächelnd ab. »Von Biotecc ja, das mag schon sein … aber nicht von mir, von mir persönlich ! Und solange man mir das nicht nachweisen kann,
gilt die Unschuldsvermutung.«
»Na und? Natürlich haben die Täter den Auftrag selbst
nicht von Ihnen erhalten. Aber Sie haben ihre Bezahlung veranlasst. In bar. Die
spanische Polizei hat das Geld sichergestellt. Und glauben Sie mir, für die
hiesige Kripo ist es ein Kinderspiel, die Scheine bis zu Ihnen
zurückzuverfolgen – auch Banken sichern sich schließlich ab. Da gibt es
Fingerabdrücke, Kontrollvermerke, Gesprächsprotokolle zuhauf. Und
Zeugenaussagen! Nein, nein, solche Transaktionen hinterlassen immer Spuren.«
»Zeugenaussagen? Pah! Von welchen Zeugen denn?« Zum
ersten Mal zeigte Ulla Gauß-Rottmann Unsicherheit.
Mein Gott, ich kann diese Frau nicht länger ertragen,
dachte Karin. Höchste Zeit, dem Spuk ein Ende zu machen, ihr gewissermaßen den
Gnadenschuss zu verpassen.
»Sie fragen nach Zeugen, verehrte Frau Gauß-Rottmann?
Da fällt mir vor allem einer ein: Alex, Ihr Sohn, Ihr eigener Sohn! Oder
glauben Sie, der wird für Sie ins Gefängnis wandern, während Sie bei den
Reichen und Schönen dieser Welt die Biotecc-Millionen verjubeln? Oh nein,
Verehrteste! Es heißt zwar, Blut sei dicker als Wasser, aber darauf würde ich
nicht wetten. Alex wird Sie
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