Seepest
oder
Mitglieder der Unternehmensleitung. Zwischen ihnen und Studer war ein Stuhl
leer geblieben, anscheinend wurde ein weiterer Teilnehmer erwartet.
Endlich, um zehn nach vier, erhob sich einer der
grauen Männer. Mit erhobenen Händen bat er um Ruhe.
»Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte
Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Danke, dass Sie unserer Einladung
so zahlreich gefolgt sind. Auftragsgemäß möchte ich Sie im Namen der
Geschäftsleitung der Biotecc AG recht
herzlich begrüßen. Mein Name ist Dr. Rauboldt, ich bin der Syndikus des
Unternehmens …«
»Kommt mir alles etwas merkwürdig vor, finden Sie
nicht auch, Chef?«, flüsterte Jo hinter vorgehaltener Hand.
»Nun wart’s doch ab!«
»Seien Sie versichert«, fuhr Dr. Rauboldt fort,
»dass wir Sie aus guten Gründen hierhergebeten haben. Wie Sie wissen, sind wir
gestern mit dem Tod unseres Firmengründers und geschäftsführenden
Gesellschafters, Erich Rottmann, konfrontiert worden. Ich nehme an, Sie kennen
die Einzelheiten. Umso überraschter werden Sie sein, wenn ich Ihnen nun
verrate, wer ihn bei der heutigen Pressekonferenz vertreten wird.« Hier machte
er eine Kunstpause, wohl um die Spannung zu steigern. In der Tat konnte er sich
der ungeteilten Aufmerksamkeit der Anwesenden sicher sein. Die Kursentwicklung
der Biotecc-Aktien war aufsehenerregend genug, nun wollte man etwas über die
Hintergründe erfahren, die dazu geführt hatten. »Meine Damen und Herren!
Begrüßen Sie mit mir zusammen …«
Gleich werden die sich wundern, dachte Wolf – wie eine
Bombe wird die Neuigkeit einschlagen. Obwohl, ihm konnte es wurscht sein, er
war ja nur ein kleiner Beamter, zum Spekulieren mit Aktien hatte es bei ihm nie
gereicht.
»… Herrn Erich Rottmann, unseren Firmengründer
und Hauptgesellschafter!«
Sekundenlang herrschte atemlose Stille; niemand konnte
sich einen Reim auf das soeben Gehörte machen. Rottmann, bis eben noch tot,
plötzlich wieder unter den Lebenden? Das klang wahrhaftig nach einem schlechten
Witz! Doch wer sich verschaukelt fühlte, der wurde sogleich eines Besseren
belehrt. Die Tür zu einem der angrenzenden Räume ging auf, und heraus trat
leibhaftig der Biotecc-Boss Erich Rottmann. Trotz seiner sechsundsechzig Jahre
sprang er leichtfüßig auf das Podium. Er deutete eine Verbeugung an, ehe Dr. Rauboldt
ihm lange und kräftig die Hand schüttelte und wieder Platz nahm.
Die Spannung im Saal war mit Händen zu greifen. Nun
lag es an Rottmann, sie aufzulösen. Dazu ließ er sich nicht zweimal bitten.
»Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind
nicht in einem Tollhaus gelandet«, begann er mit markiger Stimme, »niemand will
einen Scherz mit Ihnen treiben, auch wenn es sich im ersten Augenblick so
angehört haben mag. Für diesen Widerspruch gibt es eine ganz einfache
Erklärung: Bei der Nachricht von meinem angeblichen Tod handelte es sich in
Wirklichkeit um ein bedauerliches Missverständnis, das aufzuklären Teil dieser
Pressekonferenz sein wird. Außerdem möchte ich eine Erklärung abgeben, den
künftigen Status unseres Unternehmens betreffend. Bitte haben Sie jedoch
Verständnis dafür, wenn ich im Anschluss daran auf weiterführende Fragen nicht
eingehen kann. Ich hoffe, Sie werden mir das nachsehen.«
Er sah sein Publikum durchdringend an. »Zunächst zu
der Meldung über meinen angeblichen Tod. Richtig ist, dass gestern Morgen in
Überlingen, genauer am östlichen Tunnelausgang der Bahnlinie Singen/Markdorf
ein Mann meines Alters und meiner Statur von einem Zug erfasst wurde. Wie Sie außerdem
wissen, bin ich selbst vor zwei Tagen Opfer einer Entführung geworden, die eine
Erpressung zum Ziel hatte. Bei der Identifizierung des Unfallopfers ging man,
vor allem unter dem Eindruck der starken Verletzungen des Mannes im
Kopfbereich, davon aus, es müsse sich bei dem Leichnam um den alten Rottmann
handeln.« Auf seinem Gesicht breitete sich ein verschmitztes Lächeln aus.
»Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, so schnell trete ich nicht ab.
Wie Sie unschwer erkennen können, weile ich noch immer unter den Lebenden, und
zwar als freier Bürger, wenn ich das hinzufügen darf – dank meinem treuen
Mitarbeiter Jacques Studer hier, dem es gelungen ist, mich rechtzeitig aus den
Händen der Entführer zu befreien.«
Raffiniert gemacht, musste Wolf neidlos anerkennen,
während Studer sich erhob und ringsum tosender Beifall erscholl. Warum sollte
Rottmann sich und seinem Unternehmen
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