Seepest
ausgestellt auf die Namen Rolf Kauder
und Ibrahim Abul. Das war alles.
Also waren zumindest die Namen der Männer echt.
Wenigstens etwas! Jo blätterte die Pässe nur flüchtig durch, die waren ein Fall
für die Spusi. Immerhin fiel ihr auf, dass Ibrahim Abul kurdischer Abstammung
war.
Kaum hatte sie die Fundsachen wieder in die Hülle
geschoben und diese in einen Klarsichtbeutel gesteckt, da griff sie sich
plötzlich an die Stirn. Sie stand hier in einem Parkhaus. Was, fragte sie sich,
wenn die Männer dort, wo sie ihre Wertsachen aufbewahrten, auch ihr Auto
abgestellt hatten? Je länger sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher
schien es ihr. Zumindest wäre es einen Versuch wert, hier mit der Suche
anzufangen.
Erneut sah sie auf die Uhr: noch zwölf Minuten bis
zwei. Falls sie alle sechshundert Stellplätze abklappern musste, würde sie zu
spät zur Lagebesprechung kommen. Was soll’s, dachte sie, Wolf würde ihr schon
nicht den Kopf abreißen, vor allem, wenn sie nicht mit leeren Händen kam. Sie
überlegte kurz, ob sie ihn anrufen sollte, ließ es dann aber sein. Dazu wäre
später immer noch Zeit, und womöglich zog er sie dann hier ab und schickte
stattdessen einen Streifenwagen. Das fehlte noch!
Energisch schloss sie das Schließfach und warf eine
neue Münze ein, ehe sie den Schlüssel abzog und ihn samt Umschlag in einer
Plastikhülle in ihre Tasche steckte. Dann steuerte sie über das Treppenhaus die
obere Parkebene an. Je weiter sie sich vom Eingangsbereich entfernte, desto
weniger Menschen begegneten ihr – nichts Ungewöhnliches, da über die
Mittagszeit meist alle Stellplätze belegt waren und demzufolge kaum neue
Fahrzeuge einfuhren.
Trotz des Zeitdrucks wollte sie die Suche systematisch
angehen. Im Klartext hieß das, jede Fahrzeugreihe abzuschreiten und sich jedes
einzelne Nummernschild anzusehen. Sie würde in der oberen Ebene beginnen und
sich sukzessive nach unten vorarbeiten. Vielleicht hatte sie ja Glück und wurde
schneller fündig als erwartet.
Jos
Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Lichtverhältnisse ließen auf
allen drei Ebenen doch arg zu wünschen übrig, vor allem in den etwas
abgelegenen Bereichen, wo das ohnehin trübe Tageslicht völlig absoff und die
Deckenlampen hoffnungslos überfordert waren.
Endlich konnte sie die obere Ebene abhaken. Mehrfach
hatte sie zwischendurch Hoffnung geschöpft, wenn ein hellgrauer Audi in ihr
Blickfeld geriet, doch entweder hatte der Typ oder das Kennzeichen nicht
gestimmt. In der mittleren Ebene das gleiche Spiel. Allerdings hatte sie in der
Zwischenzeit eine gewisse Routine entwickelt, sodass sie nun deutlich schneller
vorankam. Doch so sehr sie auch auf die Schilder starrte, der gesuchte Wagen
war nicht dabei.
Ein letztes Mal wechselte sie die Etage. Hier unten
war nicht nur so gut wie kein Betrieb, es war auch noch deutlich dämmriger als
oben. Sie startete wie gewohnt mit der rechten Wagenreihe. Auch hier standen
mehrere graue Audis und das eine oder andere Karlsruher Kennzeichen, aber
Fehlanzeige. Der Mietwagen war nicht dabei. Sollte sie doch aufs falsche Pferd
gesetzt haben?
Nur aus den Augenwinkeln bekam sie mit, wie unweit von
ihr jemand an seiner Autotür hantierte. Der Statur nach handelte es sich um
einen Mann, bekleidet mit einer dunklen unifarbenen Fleecejacke, deren Kapuze
er über den Kopf gezogen hatte. Gerade stieß er eine halblaute Verwünschung
aus, vermutlich klemmte die Tür, oder er hatte sich mit dem Schlüssel vertan.
Sein Problem! Schon wollte sie weitergehen, als sie abrupt innehielt.
Irgendetwas stimmte da nicht – aber was? Sie drehte den Kopf und sah genauer hin.
Da plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen – wieso hatte sie das nicht
gleich bemerkt? Was der Mann da in der Hand hielt, war nicht etwa ein
Autoschlüssel – es war ein schmales, längliches Werkzeug, vermutlich ein
stabiler Schraubenzieher. Und er setzte ihn auch keineswegs in Höhe des
Türschlosses an, sondern deutlich darüber, zwischen Türholm und Seitenscheibe.
Kein Zweifel: Der Mann wollte den Wagen nicht
aufschließen, sondern auf brechen ! Noch dazu
gewissermaßen unter den Augen der Polizei. Da Jo aber nicht ganz ausschließen
konnte, dass er sich aus Unachtsamkeit selbst ausgesperrt hatte, wollte sie ihm
noch eine letzte Chance geben. »Darf ich fragen, was Sie da tun?«, rief sie ihm
zu.
Statt einer Antwort hob er den Arm, und das Werkzeug
flog in ihre Richtung. Jo konnte dem Wurfgeschoss gerade noch
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