Seepest
ausweichen. Durch
die heftige Bewegung rutschte dem Mann die Kapuze vom Kopf, und für den
Bruchteil einer Sekunde sah sie seinen kahlen Schädel, bevor er hinter den
dicht stehenden Wagen verschwand.
Zwei Glatzköpfe an einem Tag? Jo war alarmiert.
»Polizei! Bleiben Sie stehen!«, rief sie dem
Flüchtenden hinterher. Doch ihr Ruf kam zu spät. Sie wollte ihm bereits
nacheilen, als sie etwas bemerkte. Ja, war sie denn mit Blindheit geschlagen?
Da latschte sie alle drei Ebenen dieses verdammten Parkhauses ab, stierte sich
die Augen nach einem hellgrauen Audi A4 mit Karlsruher Kennzeichen aus dem
Kopf – und kapierte nicht, dass es sich bei dem Wagen, dessen Aufbruch sie eben
verhindert hatte, um ebendiesen Audi handelte!
War es Zufall, dass der Typ ausgerechnet diesen Wagen
gewählt hatte? Wohl kaum. Dieser Kerl hatte ebenso eine Glatze wie der Mann,
den sie am Morgen in dem Hotelzimmer in Ludwigshafen überrascht hatten –
vermutlich war es derselbe. Er musste also in den Fall verwickelt sein.
Ohne groß nachzudenken, zog sie ihre Dienstwaffe und
lief ihm nach. Wo er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, ging sie langsam die
ganze Reihe parkender Autos entlang, kontrollierte Wagen für Wagen und legte
sich verschiedentlich sogar auf den Boden, um zu sehen, ob er vielleicht unter
eines der Autos gekrochen war – nichts. Sollte er unbemerkt die Seite
gewechselt haben? In diesem Fall war er längst über alle Berge.
Am besten, sie rief Wolf an, er musste Verstärkung
schicken. Allerdings durfte sie bis zu deren Eintreffen den Audi nicht aus den
Augen lassen. Während Jo nach ihrem Handy griff und eine Kurzwahltaste drückte,
versuchte sie, sich das Äußere des Täters ins Gedächtnis zu rufen. Der Mann war
etwas kleiner als sie gewesen, geschätzte eins siebzig, schlank, aber seinen
schnellen, katzenhaften Bewegungen zufolge gut trainiert. Er musste leichte
Schuhe mit Gummisohlen tragen, anders war sein lautloses Verschwinden nicht zu
erklären.
Weiter kam sie nicht – ihr Handy klingelte. »Wo
steckst du?«, fragte Wolf anstelle einer Begrüßung.
»Im Parkhaus Stadtmitte, Chef, ich habe das
Schließfach und den Mietwagen gefunden. Jemand hat gerade versucht, den Wagen
aufzubrechen. Der Täter, männlich, knapp eins siebzig, dunkle Fleecejacke mit
Kapuze, ist flüchtig. Ich brauche Verstärkung. Könnten Sie einen Streifenwagen
schicken? Zur unteren Parkebene rechts hinten. Am besten verständigen Sie auch
gleich die Spusi. Ich halte hier so lange die Stellung. Ach ja, der Täter war
übrigens kahlköpfig.«
Wolf schien kurz zu stutzen, ehe er antwortete. »Verstanden.
Sieh schon mal nach, ob du in dem Fahrzeug Beweismittel findest, und komm
zurück in die Direktion, sobald die Streife eintrifft.«
Jo bestätigte, legte auf und schritt noch einmal die
Wagenreihe ab, ohne den Audi aus den Augen zu lassen, doch nirgends gab es eine
Bewegung oder sonst etwas Verdächtiges. Also lief sie zu dem Mietwagen zurück
und inspizierte von außen Sitze und Ablagen. Sie waren leer, nichts lag herum.
Dann zog sie wieder ihre Latexhandschuhe über, schloss die Beifahrertür auf und
öffnete das Handschuhfach. Darin fand sie zwei in ein Tuch eingewickelte
Handfeuerwaffen: eine Beretta Kaliber 7.65 und eine SIG Sauer P228, beide mit vollem Magazin. Die
Seriennummern waren fachmännisch herausgeätzt worden.
Sie zückte ihr Handy und wählte Wolfs Nummer.
***
Der
Mann in der dunklen Fleecejacke war keineswegs verschwunden, er lag, flach wie
eine Flunder und nur wenige Meter von dem Audi entfernt, auf dem Dach eines
abgestellten VW -Transporters, von wo aus er
mit hämischem Grinsen Jos Suche nach ihm verfolgt hatte.
Er sah Jo zu dem Audi zurückgehen und registrierte
verärgert, dass sie den Schlüssel für den Wagen aus der Tasche zog und mit der
Durchsuchung des Innenraums begann. Als sie schließlich aus dem Handschuhfach
zwei Waffen zutage förderte, konnte er nur mit Mühe einen Fluch unterdrücken.
Kein Zweifel, die Bullin hatte seine Pläne
durchkreuzt. Höchste Zeit, dass er wegkam, bevor die angeforderte Verstärkung
eintraf.
Wie ein Schatten ließ er sich von dem Fahrzeugdach
gleiten und zog sich lautlos zurück. Ungesehen erreichte er die mittlere Ebene.
Dort stieg er in seinen Smart und verließ das Parkhaus in Richtung Innenstadt.
***
Wolf
hatte nach Jos Anruf den Hörer in der Hand behalten und eine dreistellige
Nummer gewählt. Am anderen Ende meldete sich eine genervte
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