Seepest
fünfunddreißig.«
Wolf machte sich eine Notiz, danach griff er wieder
nach dem Ausdruck. Unschlüssig fuhr er sich mit der linken Hand über das Kinn,
ehe er das Blatt an Jo weiterreichte. »Überprüf doch mal, ob gegen diesen Marc
Suhrbier etwas vorliegt. Und nimm auch die beiden anderen unter die Lupe,
Kauder und Abul.«
»Geht klar, Chef.«
Jo verließ den Raum, und Wolf wandte sich mit einem
abschließenden »Sonst noch was?« an Terry.
»Eines noch: Laut Bootsvermieter hatte die Jacht bei
der Abholung nur um die fünfzig Liter Diesel im Tank. Das ist ungewöhnlich,
normalerweise werden die Boote mit vollem Tank übergeben. Da der Charterer es
jedoch eilig hatte, wurde auf das Nachtanken beim Bootsvermieter verzichtet.«
»Das ist tatsächlich ungewöhnlich. Was könnte der
Zweck dieser Übung gewesen sein? Überlegen wir mal: Die Strecke Bregenz–Mainau
beträgt ziemlich genau fünfzig Kilometer. Selbst wenn wir für die einfache
Fahrt einen Verbrauch von … sagen wir fünfzehn Litern unterstellen, würden noch
fünfunddreißig Liter verbleiben. Das ist viel zu wenig.«
»Versteh ich nicht.«
»Wie denn auch, wenn du die entscheidende Zahl nicht
kennst. Nach Auskunft der Katastrophenleitstelle soll es sich nämlich bei dem
ausgeflossenen Dieseltreibstoff gestern Nacht um mindestens zweihundert Liter
gehandelt haben. Ergo: Die Leute haben nachgetankt.«
»Fragt sich bloß, wo.«
»Du wirst das rauskriegen.«
»Ich?« Terry zog ratlos die Augenbrauen hoch.
»Ja, du! Lass dir vom Wapo-Stützpunkt Überlingen die
Nummern der Bootstankstellen aller Marinas zwischen Bregenz und Ludwigshafen
nennen, zunächst mal nur vom Nordufer. Die rufst du eine nach der anderen an.
In der Regel werden beim Tanken die Namen des Bootes und des Eigners oder
Charterers festgehalten. Falls erforderlich, lässt du dir die Faxnummer geben
und schickst ihnen das Phantombild. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir
den Leuten nicht auf die Spur kämen.«
»Und dann? Ich meine, was fangen wir mit der Info an?«
»Denk mal nach … Vielleicht gelingt es uns ja, von den
Bootsbewegungen ein zuverlässiges Zeitprofil zu erstellen. Wir könnten dann mit
einiger Sicherheit die Abläufe und die Aufenthaltsorte der Täter bestimmen,
richtig? Also, junger Mann, setz dich auf deinen Hintern und lass deinen Charme
spielen.«
Alles andere als begeistert ging Terry nach nebenan,
um die Wapo anzurufen und sich die Telefonnummern der Tankstationen nennen zu
lassen. Gleich darauf klopfte jemand energisch an Wolfs Tür. Hannelore Bender streckte
den Kopf herein. »Darf ich?«
»Duplizität der Ereignisse«, schmunzelte Wolf. »Ich
wollte gerade zum Chef, wäre also ohnehin bei Ihnen vorbeigekommen. Was
gibt’s?« Er mochte Frau Bender, sie war eine überaus patente Person, die seit
Jahren das Vorzimmer des Kripochefs »schmiss«.
»Das hier soll ich Ihnen vom Kriminalrat geben. Es
handelt sich wohl um die Antwort des BKA wegen
des Flugblatts.« Sie drückte Wolf ein paar DIN-A 4-Bögen in die Hand. »Den Chef können Sie übrigens für die nächste halbe
Stunde vergessen. Er hat Besuch.«
Wolf überfiel eine plötzliche Ahnung. »Lassen Sie mich
raten: Schneidewind?«
Hannelore Bender bekam große Augen. »Sind Sie
Hellseher?«
Wolf versuchte ein Grinsen. »Nein. Menschenkenner.«
»Verstehe.« Hannelore Bender kicherte vielsagend. »Ja,
ja, unser Herrgott hat schon einen großen Tiergarten, nicht wahr? Also, ich
muss dann wieder.«
Nachdenklich
kramte Wolf seine Gitanes hervor und steckte sich eine an, bevor er sich in die
Blätter vertiefte.
»Hatte ich also recht«, knurrte er höchst zufrieden.
Die Übersetzung des arabischen Schriftblocks enthüllte keine neue Botschaft,
sondern entsprach, wie von ihm vermutet, exakt dem deutschen Text. Nach
Einschätzung des Sachverständigen beim BKA handelte es sich auch tatsächlich um einen Text aus dem Koran, nämlich um den
neunzehnten Vers der dreiundsiebzigsten Sure mit dem Titel »Der Verhüllte« –
was immer man sich darunter vorzustellen hatte. Die Sure, in der Muhammad von
Gabriel angeredet wird, zähle zu den ältesten im Koran und könne als ernst zu
nehmende, wenn auch unkonkrete Warnung eingestuft werden, stand da. Was den
Absender der Botschaft, das Islamische Kalifat Khalilullah, angehe, so handle
es sich bei dieser Gruppe nach noch ungesicherten Informationen um eine
militante und gewaltbereite islamistische Organisation, die sich nach eigener
Darstellung als »Arm
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