Seepest
danach. Wieso so spät? Wo ist
Herr Studer überhaupt?«
Alex Rottmann zögerte mit der Antwort. »Tut mir leid,
diese Frage kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten. Jacques war
plötzlich verschwunden. Er ist gegangen, ohne ein Wort zu sagen.«
»Merkwürdig … sehr merkwürdig«, antwortete Wolf
gedehnt, bevor er Dieter Leschek ins Auge fasste. »Nur der Ordnung halber: Ich
nehme an, Sie können den geschilderten Sachverhalt zur Gänze bestätigen?«
Um dessen Mund spielte ein spöttisches Lächeln. »Aber
klar doch, zur Gänze!«, erwiderte er und zog die Nase hoch.
Wolf musterte ihn abschätzig, ohne eine Miene zu
verziehen. In die so entstandene Pause hinein fragte Jo: »Wenn Sie mir bitte
Fahrzeugtyp, Farbe und Kennzeichen des abholenden Wagens nennen würden. Wir
müssen ihn zur Fahndung ausschreiben.«
Ulla Gauß-Rottmann diktierte ihr die Daten.
»Danke.« Jo erhob sich. »Ich gebe dann mal die
Fahndung raus, Chef«. Sie holte ihr Handy hervor und drückte eine Kurzwahltaste,
während sie ein paar Schritte zur Seite ging.
»Darf ich fragen, was Sie sonst noch zu unternehmen
gedenken?«, fragte Ulla Gauß-Rottmann, inzwischen leicht genervt.
»Natürlich. Dazu komme ich gleich, Frau Gauß-Rottmann!
Doch zuerst müssen wir uns ein genaueres Bild machen. Haben Sie eine Idee, wer
hinter der Entführung stecken könnte? Hatte Herr Rottmann Gegner oder Neider,
gab es Rivalitäten, Auseinandersetzungen, möglicherweise auch außerhalb des
betrieblichen Umfeldes? Wurde er bedroht? Hat es während seiner Reise Probleme
gegeben?«
Während Jo wieder an ihren Platz zurückkehrte,
wechselte Ulla Gauß-Rottmann einen Blick mit ihrem Sohn. Beide zuckten mit den
Schultern.
»Nichts von alledem, Herr Kommissar; jedenfalls
nichts, was eine Entführung rechtfertigen würde«, antwortete sie bestimmt.
Alex Rottmann fügte hinzu: »Darüber haben wir uns
selbst schon den Kopf zerbrochen. Wenn wir einen konkreten Verdacht hätten, und
wäre er noch so vage, hätten wir es Ihnen längst gesagt. Nein, ich bin sicher,
den Entführern geht es ausschließlich um ein Lösegeld.«
»Etwas anderes: Wir müssen Kontakt zu den Piloten
aufnehmen, weil nur sie die beiden Entführer beschreiben können. Geben Sie uns
bitte ihre Namen?«
Alex nannte sie ihm. »Zufällig fliegen die beiden Friedrichshafen
heute Nachmittag noch einmal an. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Landung
für vierzehn Uhr vorgesehen.«
»Gut, wir werden dort sein. Nun, gnädige Frau, Sie
haben gefragt, was wir zu unternehmen gedenken. Also: Zunächst einmal fahnden
wir nach dem Wagen Ihres Schwagers. Er wird, sobald wir ihn gefunden haben,
kriminaltechnisch untersucht, und ich versichere Ihnen, dass unsere
Spezialisten auch nicht die kleinste Spur übersehen werden. Außerdem werden wir
nach der Beschreibung der beiden Piloten Phantombilder anfertigen und die Täter
zur Fahndung ausschreiben – übrigens nicht nur bundesweit, sondern auch in Österreich
und der Schweiz. Da nach Ihrer Einschätzung eine Lösegeldforderung zu erwarten
ist, sollten wir darüber hinaus eine Fangschaltung einrichten. Falls Sie damit
einverstanden sind, schicken wir gleich zwei Techniker vorbei, die werden das
erforderliche Equipment installieren.«
Irgendwo schrillte ein Mobiltelefon. Wolf brauchte
eine Sekunde, bevor er registrierte, dass der Ton aus seiner Tasche kam. Er
entschuldigte sich kurz und nahm das Gespräch entgegen. Zwei-, dreimal sagte er
»Aha« oder »Verstanden«, dann drückte er die Aus-Taste. Sekunden verstrichen,
ehe er sich wieder Ulla Gauß-Rottmann zuwandte.
»Sie haben sicher so etwas wie eine PR -Abteilung, oder irre ich mich?«
»Ja … aber ich verstehe nicht …«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Presseberichte
über Ihr Unternehmen dort gesammelt und archiviert werden?«
»Ja, und?«
»Heute ist ein Artikel über Biotecc im ›Seekurier‹, er
befasst sich mit der Bekämpfung der Ölpest und enthält ein Foto, das drei
Personen beim Verlassen Ihres Hubschraubers zeigt. Ist es möglich, den Artikel
hier kurz einzusehen?«
»Äh … ich verstehe immer noch nicht. Hat das was mit
der Entführung zu tun?«
»Nur am Rande. Trotzdem … es wäre wichtig.«
Ulla Gauß-Rottmann schien unentschlossen. Schließlich
gab sie mit einem flüchtigen Nicken ihr Einverständnis. Während Alex Rottmann
daraufhin zu einem nahe stehenden Festnetzapparat ging, stand sie auf. »Mich
brauchen Sie ja wohl nicht mehr«, bemerkte sie kühl
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