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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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das tausendmal bequemer gewesen, und ihrer
»Fracht« hätte es auch nicht geschadet.
    Doch was kümmerte den Boss seine Befindlichkeit? Für
ihn gab es andere, wichtigere Optionen. Auf alle Fälle hatte er ihm
eingeschärft, jegliches Aufsehen zu vermeiden und die kostbare Fracht wie
seinen Augapfel zu hüten, damit sie nicht in falsche Hände geriet. So gesehen
war die Entscheidung für das einsame Südwestufer des Überlinger Sees vielleicht
sogar richtig gewesen. Hierher, an den Arsch der Welt, würde sich kaum jemand
verirren, schon gar nicht um diese Jahreszeit. Die zahlreichen Wanderfreaks, die
im Sommer den lauschigen Uferweg von Bodman in Richtung Marienschlucht
entlanggingen, zogen bis auf Weiteres andere Fleckchen vor. Bislang jedenfalls
hatte er in diesem Uferabschnitt noch keine Menschenseele angetroffen. Hinzu
kam, dass er den kleinen Suzuki-Jeep unweit des Fahrweges hatte verstecken
können, sodass sich die Hin- und Herschlepperei in Grenzen hielt.
    Ächzend hievte er die schwere Tasche an Deck, bevor er
sich selbst hinaufschwang. Dann schloss er mit gemischten Gefühlen die
Kabinentür auf. Nichts deutete darauf hin, dass während seiner Abwesenheit
etwas vorgefallen wäre. Na ja, was sollte hier auch schon groß passieren?
Überraschungsbesuche waren mehr als unwahrscheinlich, vermutlich würde sich
nicht mal die Wasserschutzpolizei hierher verirren.
    Ein abschließender Kontrollblick zurück zum Ufer fiel
zu seiner Zufriedenheit aus. Zu Wasser und zu Lande alles paletti; außer ein
paar Seevögeln und dem sanften Wellenschlag an den Rumpf des Bootes war nichts
zu sehen oder zu hören.
    Der Glatzköpfige stellte die Tasche ab und sperrte die
Kabinentür auf. Befriedigt registrierte er, dass ihre wertvolle Fracht noch
immer an derselben Stelle lag, an der er sie vor drei Stunden verlassen hatte.
    Sein Kommen schien Rottmann geweckt zu haben. Schwer
atmend richtete er den Oberkörper auf. Der Glatzköpfige nahm ihm die dunkle
Augenbinde ab, bevor er ihm mit einem kräftigen Ruck das Klebeband vom Mund
riss. Die Fesselung ließ er unangetastet, sie war zu kompliziert, um sie ohne
triftigen Grund zu lösen. Immerhin schenkte sie dem Gefangenen ein Minimum an
Bewegungsfreiheit, sodass er seine Notdurft alleine verrichten oder auch mal an
einem Glas nippen konnte. Andererseits machte sie jeden Versuch zunichte, sich
selbst zu befreien oder Alarm zu schlagen.
    Da hatte der Boss sich wieder was einfallen lassen –
alle Achtung! Dabei sah das Ganze so einfach aus: Beide Arme des Gefangenen
hingen nach unten, der rechte vor dem Bauch, der linke über dem Hintern; durch
den Schritt hindurch waren beide Handgelenke mit einer Schnur
aneinandergefesselt. Anschließend war die Schnur nach oben geführt, als
Schlinge um den Hals gelegt und dann verknotet worden. Bedauerlich, diese
Vorsichtsmaßnahmen, aber unumgänglich. Immer noch besser, als wenn stattdessen
ihm der Glatzkopf abgerissen würde – genau das blühte ihm nämlich, sollte
seinem »Gast« etwas zustoßen.
    Ohne Rottmann aus den Augen zu lassen, packte er die
Tasche aus. Dann stellte er dem Mann ein Glas Wasser und einen Teller hin, auf
dem sich ein paar belegte Brote befanden.
    »So, nun wollen wir uns brav füttern lassen, wir
müssen schließlich bei Kräften bleiben, nicht wahr, Herr Rottmann? Falls Sie
Champagner und Kaviar vermissen – sorry, dafür reicht leider unsere Kriegskasse
nicht.«
    Mit diesen Worten ließ er Rottmann zuerst an dem
Wasserglas nippen, bevor er ihm eines der Schnittchen hinhielt. Doch anstatt
den Mund zu öffnen und reinzubeißen, drehte Rottmann den Kopf zur Seite.
    »Auch gut«, sagte der Glatzköpfige ungerührt und legte
die Brotschnitte auf den Teller zurück. »›Wer nicht will, hat schon gehab‹,
sagte meine Mutter immer. Dann eben beim nächsten Mal. Falls Sie auf die
Toilette müssen: Tun Sie sich keinen Zwang an. Sie wissen ja, wie’s geht.«
    »Was zahlt man dir eigentlich für diesen Job?«, fragte
Rottmann mit krächzender Stimme.
    »Ich hab Ihnen schon mal gesagt, Sie sollen mich nicht
duzen, da kann ich verdammt noch mal ungemütlich werden. Ich gehöre schließlich
nicht zu Ihren Speichelleckern.«
    »Also: Wie viel?«
    »Zahlen? Für was?«
    »Dafür, dass Sie mich hierhergeschleppt haben und auf
mich aufpassen. Wie viel? Tausend? Fünftausend? Zehntausend?«
    »Geben Sie sich keine Mühe.«
    »Ich zahle Ihnen das Zehnfache.«
    »Pff«, machte der Glatzköpfige nur und schickte sich
an, die Kabine zu

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