Seepest
bissigem Gesichtsausdruck, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihm
stand und auf eine Erklärung wartete. Nach kurzem Brüten raffte er sich wieder
hoch. Aus dem nahe stehenden Büroschrank zauberte er eine Flasche hervor,
verborgen hinter einem unauffälligen Ordner mit der Aufschrift »Sonderfälle«.
»Pastis gefällig?«, fragte er Karin Winter. Als sie
dankend ablehnte, goss er sich einen ordentlichen Schluck davon in seine Tasse.
Die milchig-hellbraune Farbe des Getränks verriet, dass es mit Wasser verdünnt
worden war. »Entschuldigen Sie, aber ich brauche das jetzt«, murmelte Wolf.
»Tun Sie sich keinen Zwang an.« Sie zögerte kurz, ehe
sie fortfuhr: »Hab ich das eben richtig verstanden? Sie wussten überhaupt
nichts von dieser Pressekonferenz?«
»So isses. Eine einsame Entscheidung des schneidigen
Herrn Schneidewind! Natürlich gehört die Unterrichtung der Medien zu seinem
Aufgabenbereich. Allerdings wäre eine vorherige Abstimmung mit dem Leiter der
Kripo oder dem zuständigen Dezernat außerordentlich hilfreich – schon in seinem
ureigensten Interesse.« Wolf schüttelte den Kopf. »Dieser Mann schaufelt sich
noch sein eigenes Grab.«
Karin Winter, plötzlich neugierig geworden, zog sich
einen Stuhl vor Wolfs Schreibtisch und nahm Platz. »Wie meinen Sie das?«
Wolf nahm einen satten Zug aus seiner Tasse und leckte
sich anschließend genüsslich die Lippen. Als er eben zu einer Antwort ansetzen
wollte, läutete das Telefon. Diesmal dauerte das Gespräch nur wenige Sekunden.
»Das war Sommer, er ist stocksauer«, erklärte Wolf.
»Auch er war nicht über die Pressekonferenz informiert. Dabei hat er noch kurz
zuvor mit Schneidewind gesprochen und ihm von Rottmanns Entführung erzählt.
Über die Beweggründe des Staatsanwaltes kann ich nur spekulieren. Für mich
jedenfalls steht inzwischen fest, dass es sich bei den Nachrichten des Kalifats
um eine Finte handelt. Wir sollen auf eine falsche Fährte gelockt werden. Ich
rate Ihnen darum: Schweigen Sie die Sache besser tot …«
»Während meine Kollegen ins offene Messer laufen,
meinen Sie? Das gefällt mir.« Sie lachte spitzbübisch.
Jo erschien kurz unter der Tür, sie nickte Karin zu.
»Wir sind dann so weit, Chef. Bitte geben Sie uns Bescheid, wenn Sie fertig
sind.« Schon war sie wieder weg.
»Tut mir leid, Madame, mit mehr kann ich im Augenblick
nicht dienen. Alles Weitere ein andermal.« Langsam, aber sicher schob Wolf
Karin Winter in Richtung Tür. »Das mit den gezinkten Karten können Sie aber
ganz schnell vergessen.« Jetzt grinste auch er.
Übertrieben schuldbewusst senkte Karin den Kopf. »Ich
hoffe, Sie können mir noch einmal verzeihen!« Sie öffnete die Tür, schloss sie
aber gleich darauf wieder. »Ach ja, was ich noch sagen wollte: Haben Sie schon
das Neueste von Biotecc gehört?«
Wolf, hellhörig geworden, holte tief Luft. »Nun
schießen Sie schon los. Aber denken Sie daran, ich hab wenig Zeit.«
Karin Winter zog eine Schnute. »Entschuldigen Sie, ich
will mich ja nicht aufdrängen.«
»Nun seien Sie doch nicht gleich eingeschnappt. Lassen
Sie’s schon raus.«
Sie strahlte ihn an, als sei nichts gewesen.
»Vielleicht haben Sie von dem Tankerunglück am Samstag vor der galicischen
Küste gehört …«
»Nein. Was ist damit?«
»Na was wohl? Eine Umweltkatastrophe, wie sie im Buche
steht. Schon jetzt sollen Tausende von Tonnen Rohöl ausgelaufen sein, die ganze
Suppe schwappt auf die Küste zu. Und nun die gute Nachricht: Angeblich soll die
Reederei, unter deren Flagge der Supertanker läuft, bei Biotecc angeklopft
haben. Die Rettung der Mainau hat sich wohl herumgesprochen. Seit gestern
jedenfalls rauscht der Biotecc-Börsenkurs steil nach oben.«
»Schön für die Rottmanns. Also dann, Frau Winter, bis
zum nächsten Mal.«
***
Der
Haldenhof gilt als eines der Highlights am Bodensee, zumindest was die Aussicht
über den See betrifft. Hoch über Sipplingen an der Südkante eines bewaldeten
Bergrückens gelegen, ist der Gasthof im Sommer ein außerordentlich beliebter
Touristentreffpunkt. Nun aber, Ende November, lag er im Winterschlaf.
Bei der Anfahrt hatte sich der Glatzköpfige gleich
mehrfach verfahren, hatte sogar – wenn auch unfreiwillig – dem Pumpspeicherwerk
der Bodensee-Wasserversorgung einen Kurzbesuch abgestattet.
»Wieso, zum Teufel, hat es auch ausgerechnet der
Haldenhof sein müssen«, schimpfte er. Welch hirnrissige Idee! Er verstand ja,
dass Studer keine Zeugen dabeihaben wollte,
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