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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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richtigliegen, dann hätte sich ihr Verdacht bestätigt oder zumindest erhärtet; der Verdacht nämlich, dass es zwischen den Morden am Bodensee und diesem Laden hier eine Verbindung gab. Spätestens dann würde sie davon ausgehen müssen, dass » G.E.T. « mehr war als nur ein harmloses Namenskürzel.
    Es hatte den Anschein, als ginge ihre Rechnung auf.
    »Alvarez? Tut mir leid, so jemanden gibt es hier nicht. Von einer Zeitung, sagten Sie?« Zu Karins Verwunderung sprach die Frau ein astreines Hochdeutsch.
    »Genau. Man hat mir die Calle San Miguel, Nummer 23 als seine Adresse genannt. Das hier ist doch die Nummer 23, oder?«
    »Zweifellos. Aber wie ich schon sagte: Bei uns gibt es niemand dieses Namens.«
    Schau an, dachte Karin, sie beherrscht sogar den Genitiv.
    »Na gut«, lenkte sie ein, »der Name, den man mir gab, lautete genau genommen › G.E.T.  Alvarez‹. Ich bin hier doch bei der Firma  G.E.T. , oder nicht?«
    »Wir haben keinen Alvarez, glauben Sie mir. Es stimmt zwar, Sie sind hier bei  G.E.T. , aber wir unterhalten grundsätzlich keinen Publikumsverkehr. Ich muss Sie also bitten zu gehen.« Beiläufig fügte sie hinzu: »Worum geht es denn eigentlich … ich meine, wieso suchen Sie diesen Herrn überhaupt?«
    »Nun, Herr Alvarez hat in Überlingen, das liegt am …«
    »Ich weiß, wo Überlingen liegt.«
    »Also, Herr Alvarez hat in Überlingen einen Mann aufgesucht, der bedauerlicherweise kurz darauf das Zeitliche segnete, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Durchaus. Und?«
    »Warten Sie, ich habe ein Bild von Herrn Alvarez … wo ist es denn gleich …« Sie kramte in ihrer Tasche danach. »Hier. Vielleicht erkennen Sie ihn? Übrigens war bei seinem Besuch noch ein zweiter Mann bei ihm, muss wohl ein Kollege gewesen sein.«
    Die Angestellte nahm das Bild in die Hand und warf einen Blick darauf. »Ein bisschen unscharf, finden Sie nicht? Der Mann auf dem Foto könnte jedermann sein.«
    Ihr Disput schien in dem großräumigen Büroraum bereits Aufsehen erregt zu haben. Karin sah, wie mehrere Köpfe sich hoben und zu ihnen herübersahen. Bei dieser Gelegenheit fiel ihr außerdem auf, wie großzügig und modern das Büro ausgestattet war. Hier hatte man offensichtlich an nichts gespart.
    Plötzlich verstellte ein Mann mittleren Alters mit kantigem Gesicht ihren Blick. »Was gibt’s?«, fragte er barsch und fasste Karin ins Auge. Er schien wie seine Kollegin Deutscher zu sein, der Aussprache nach kam er aus dem Hessischen.
    »Die Dame sucht einen gewissen Herrn Alvarez. So soll er aussehen.« Sie reichte ihm das Bild. »Ich habe ihr bereits gesagt, dass wir keinen Mitarbeiter dieses Namens …«
    »Sie haben es gehört, Gnädigste, wir können Ihnen leider nicht helfen.  Adiós  also.« Er schob seine Kollegin zur Seite, um die Tür zuzuschlagen. »Das Bild lassen Sie uns besser hier, für alle Fälle. Vielleicht finden wir Ihren Herrn Alvarez ja noch.«
    Das letzte Wort war kaum gesprochen, da fiel die Tür ins Schloss.
    Karin nahm ihre Tasche hoch und stieg die Treppe hinab. Sie fragte sich, weshalb der Mann das Bild behalten wollte. Nicht, dass sie der Verlust besonders geschmerzt hätte; sie hatte das Original auf ihrem iPad abgespeichert und brauchte es nur auszudrucken. Alles in allem war die Veranstaltung trotzdem höchst aufschlussreich gewesen.  G.E.T.  hatte diese Adresse nicht ohne Grund gewählt. Welcher Art die Geschäfte dieser Leute auch immer sein mochten, an diesem Standort konnten sie ihnen unauffällig nachgehen. Apropos Geschäftszweck: Den konnte sie über die Industrie- und Handelskammer in Konstanz sicher leicht herausbekommen; die würden sich mit der mallorquinischen Kammer in Verbindung setzen, und schon wäre das Geheimnis gelüftet.
    Ganz in Gedanken trat sie auf die Straße hinaus – und prallte unversehens mit einem Mann zusammen. Der Vorfall dauerte nur wenige Sekunden, und ehe sie sich versah, war der Kerl auch schon wieder verschwunden.
    »Blödmann«, schimpfte sie ihm erbost hinterher, während sie sich aufrappelte und ihre Tasche an sich nahm, die ihr beim Zusammenprall mit dem ungehobelten Kerl aus der Hand gerissen worden war. Kurz darauf hatte sie die Sache bereits wieder vergessen.
    Sie beschloss, zur nahen Placa Major hinüberzugehen, dort fände sie mit Sicherheit ein Café. Sie könnte bei einem doppelten Espresso ihre Gedanken ordnen und sich Notizen machen.
    Ach ja, und Matuschek anrufen.
    ***
    Auf dem Rückweg von Kalaschnikows Domizil

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