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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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abgeschlossen hatte, klappte er wortlos ein an der Wand hängendes Bild zur Seite. Dahinter kam ein Tresor zum Vorschein. Umständlich öffnete er die komplizierte Schließung und förderte einen Gegenstand zutage, der dick in silberfarbenen Vliesstoff eingeschlagen war.
    »Entschuldigen Sie die unkonventionelle Art der Lagerung«, führte Peschke aus, »aber das Stück ist zu wertvoll und auch zu empfindlich, als dass wir es offen in unserer Asiatika-Abteilung präsentieren könnten.«
    Mit gebührender Vorsicht stellte er das Paket auf dem Schreibtisch ab.
    »Bitte sehr. Sehen Sie sich das Stück in aller Ruhe an. Falls Sie Ihre Mappe abstellen wollen …« Er wies auf einen mit Goldbrokat bezogenen Sessel.
    De Boer winkte ab – wie hätte er Peschke auch verklickern sollen, dass die Mappe eine versteckte Kamera enthielt, die jede Einzelheit seines Aufenthaltes dokumentierte?
    Beim Anblick des Elefanten jedenfalls stieß er hörbar die Luft aus. Nicht etwa, dass ihn Kunstwerke aus dem fernen Osten über Gebühr interessiert hätten – im Gegenteil, seine Kenntnisse auf diesem Gebiet lagen nahe bei null. Doch als Peschke den Vliesstoff zurückschlug, musste er zugeben, selten etwas so atemberaubend Schönes gesehen zu haben. In gewisser Weise verstand er sogar, warum Liebhaber für so was über Leichen gingen.
    Ohne Eile umrundete er mehrere Male den Tisch und beugte sich zwischendurch immer wieder weit nach vorne, als wolle er bestimmte Details des Stückes näher in Augenschein nehmen. »Außergewöhnlich, ganz außergewöhnlich«, murmelte er halblaut vor sich hin. Plötzlich lag, wie hingezaubert, eine Lupe in seiner Hand. Gezielt richtete er sie auf den Rüssel und die Stoßzähne des Elefanten – bis er sich unvermittelt aufrichtete und an Peschke wandte. »Ich kann doch davon ausgehen, dass ein Echtheitszertifikat vorliegt, oder etwa nicht?«
    Als Peschke sich wand und nach einer schlüssigen Antwort suchte, gelang es de Boer, einen Ausdruck ungläubigen Erstaunens in sein Gesicht zu legen. »Wollen Sie damit sagen …« Bedeutungsschwanger ließ er den Rest des Satzes in der Luft hängen.
    »So ist es, leider, Herr Dr. Müller-Hohenstein«, gestand Peschke zerknirscht. »Das ist mit ein Grund, warum ich Ihrer Bitte um absolute Vertraulichkeit spontan zugestimmt habe.«
    De Boer zog die Augenbrauen zusammen. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Natürlich nichts!«
    »Das will ich hoffen. Nun, ich bin Fachmann genug, um die Echtheit dieses Stückes selbst beurteilen zu können, dafür brauche ich kein Zertifikat.« Er machte eine kleine Pause, um mit listigem Lächeln hinzuzufügen: »Sie könnten mir ja auf andere Weise entgegenkommen … beim Preis zum Beispiel. Rundheraus gefragt, Herr Peschke: Welche Summe haben Sie sich vorgestellt? Nennen Sie mir einen fairen Preis, und wir sind im Geschäft. Eins sage ich Ihnen nämlich gleich: Ich hasse es, lange feilschen zu müssen. Also?«
    »Nun, in Anbetracht der Sachlage … sagen wir zweihundertzwanzigtausend, und das Stück gehört Ihnen.«
    »Zweihunderttausend«, antwortete de Boer, um eine feste Stimme bemüht.
    »Zweihundertzehn.«
    »Zweihunderttausend. Bar auf die Hand. Mein letztes Wort.«
    Obwohl Peschke tat, als müsse er mit sich kämpfen, hätte er sich am liebsten die Hände gerieben. Trotz des Abschlags, der von ihm verlangt wurde, konnte er mehr als zufrieden sein. Luca hatte er mit lächerlichen zwanzigtausend abgespeist – also blieb ihm ein Gewinn von satten einhundertachtzigtausend Euro. Steuerfrei. Wahrlich ein Bombengeschäft. Nebenbei schlug er auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe, denn die verdammte Skulptur wäre endlich aus dem Haus.
    »Also gut.« Um das Geschäft vollends zu besiegeln, hielt er de Boer die Hand hin. »Zweihunderttausend, bar auf die Hand. Und ohne Beleg.«
    De Boer schlug ein. Dann zog er ein Mobiltelefon aus der Tasche. »Ich gebe rasch Bescheid, damit man den Boten mit dem Geld in Marsch setzt.«
    Als Peschke diskret aus dem Büro gehen wollte, hielt de Boer ihn zurück. »Sie können ruhig bleiben«, meinte er. Gleich darauf kam die Verbindung zustande. »Alles klar, ich brauche zweihundert«, gab er halblaut durch, dann drückte er die Aus-Taste. Mit einem Blick auf Peschke setzte er hinzu: »Ich muss kurz zu meinem Wagen, bin gleich wieder da.«
    Peschke nickte und begann in der Zwischenzeit damit, die Skulptur transportsicher zu verpacken. Zunächst schlug er sie wieder in den Vliesstoff

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