Seeteufel
Tage immer wieder ein Auge auf das Quartier hier haben. Würdest du das übernehmen, Jo?«
»Geht klar, Chef.«
In diesem Augenblick hatte Vögelein sein Telefonat mit der Spurensicherung beendet. Gerade war er dabei, seinen Schal wieder vor Mund und Nase zu ziehen, als er abrupt innehielt. Irgendetwas hatte sein Interesse geweckt. Es musste mit dem Luftgemisch im Raum zu tun haben, denn sein gewaltiges Riechorgan bewegte sich heftig auf und ab. Auch Jo begann zu schnuppern. Langsam bewegte sie sich dabei auf den Luftschacht zu, wo sie mit Vögelein zusammentraf. Die beiden wechselten einen Blick, dann drehten sie sich zu Wolf um.
»Benzin!«, kam es wie aus einem Mund.
»Sofort raus hier!«, rief Wolf. Ohne lange zu überlegen schob er seine Leute zur Tür und folgte ihnen auf dem FuÃ, dabei mit einer Hand sein Barett festhaltend. Im Sturmschritt rannten sie auf die Treppe zu. Sie hatten gerade mal die ersten Stufen geschafft, als hinter ihnen ein ohrenbetäubender Knall ertönte, dem eine gewaltige Stichflamme folgte â genau aus dem Raum, in dem sie sich wenige Sekunden zuvor noch aufgehalten hatten.
»Wenn ich den in die Finger kriege!«, rief Wolf keuchend, als sie oben anlangten. »Zu den rückwärtigen Schachteingängen, vielleicht erwischen wir ihn noch. Aber seid vorsichtig!« Den letzten Satz musste er seinen vorauseilenden Kollegen bereits hinterherrufen.
Es war nicht schwer, den richtigen Schacht auszumachen. BeiÃender schwarzer Rauch quoll durch das Gitter. Direkt daneben entdeckten sie auch die Quelle des Feuers: zwei leere Benzinkanister, deren Inhalt in den Schacht geschüttet und dann entzündet worden war.
»Das hätte auch anders ausgehen können«, stellte Jo mit ernster Miene fest.
Wolf zog die Luft zwischen den Zähnen ein. »Die Dämpfe des Benzins haben vermutlich eine Verpuffung ausgelöst. Diese Leute fackeln nicht lange«, meinte er wütend.
Doch wer auch immer die Bude ausgeräuchert hatte â er war längst entkommen. Als hätte diese Tatsache noch einer Bestätigung bedurft, heulte in geringer Entfernung ein starker Motor auf. Noch während Wolf und seine Leute nach vorne liefen, fuhr ein grau lackierter Audi vom Hof. Mit quietschenden Reifen bog er auf die StraÃe ein und entfernte sich rasch in Richtung Goldbach.
»Die hatten es wirklich und wahrhaftig auf uns abgesehen!«, stammelte Hanno Vögelein empört. »Unfassbar! Wir hätten glatt hopsgehen können dabei!«
»Stimmt, hätten wir«, knurrte Wolf. »Trotzdem glaube ich nicht, dass der Anschlag uns gegolten hat.«
»Na danke. Am Ergebnis hätte das leider nichts geändert. Tot ist tot, ob mit oder ohne Absicht.« Vögelein konnte sich nur schwer beruhigen.
Jo hatte währenddessen über Wolfs Bemerkung nachgedacht. »Wie meinten Sie das eben, Chef? Um was soll es denen sonst gegangen sein?«
»Um was wohl: Die Täter wollten sicherstellen, dass keine, wirklich keine Spur zu ihnen führt, und vermutlich ist ihnen das auch gelungen!« Mit einem amüsierten Blick auf Vögelein fuhr er fort: »Sag mal, was hältst du die ganze Zeit über eigentlich so krampfhaft fest?«
Vögelein sah auf seine Hand. »Ach das? Das ist nur die Wodkaflasche â¦Â«
Wolf war gerade im Begriff, vom Hof des verlassenen Baumarktes zu fahren, als er gegenüber etwas Unerwartetes entdeckte. Täuschte er sich oder war ihnen dieses Teufelsweib abermals zuvorgekommen? Direkt vor ihm, von spärlichem Holundergebüsch nur notdürftig verdeckt, stand ein blaues Cabrio. Er stieg aus und lief mit kurzen, schnellen Schritten über die StraÃe. Kein Zweifel, das Kennzeichen stimmte.
Dann sah er, weshalb der Wagen hier herrenlos herumstand: Alle vier Reifen waren ohne Luft. Jemand hatte sie zerschnitten.
Na schön, da hatte also auch Karin Winter ihr Fett abbekommen!
Kaum hatte er das gedacht, biss er sich auch schon auf die Zunge. Es gab nicht den geringsten Grund zur Schadenfreude. Nicht jetzt, und schon gar nicht für ihn. Denn noch immer hatte er keinen Schimmer, was hier eigentlich gespielt wurde. Nur eines war sicher: Sie hatten in ein Wespennest gestochen!
2
Bereits auf der Rückfahrt hatte Wolf vernehmlich der Magen geknurrt. Kein Wunder, lag das Frühstück nun doch schon endlose neun Stunden zurück. Genau genommen war es nicht mal ein
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