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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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etwas geweckt. Nachdem sie ausgiebig gegähnt und ihre Glieder gedehnt hatte, sprang sie vom Tisch, beschnupperte gelangweilt die rötlich-braunen Körner, um sie endlich, eins ums andere, mit lautem Knirschen zu zerbeißen.
    Irgendwie tat sie ihm leid. War vielleicht doch keine so gute Idee gewesen, Fiona mit ins Büro zu nehmen. Die fremde Umgebung, ungewohnte Geräusche und Gerüche. Doch daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Auch dieser Tag würde vorübergehen, und spätestens heute Abend waren sie die Handwerker los, ihr Haushalt würde wieder in geregelten Bahnen verlaufen.
    Was er jetzt brauchte, war ein kräftiger Schluck Pastis. Er sah auf die Uhr: noch fünf Minuten bis zur Lagebesprechung. Er holte die Flasche aus ihrem Versteck hervor – und erlebte eine herbe Enttäuschung. Sie war so gut wie leer. Auch das noch! Verhalten fluchend kippte er den kläglichen Rest in seine Tasse und fingerte gewohnheitsmäßig nach den Gitanes, als er plötzlich mitten in der Bewegung innehielt. »Nein, jetzt keine Zigarette, nicht schon wieder«, bestimmte er und dachte mit Grausen an die Verfolgungsjagd durch die Altstadtgassen, bei der ihm schon nach hundert Metern die Zunge herausgehangen hatte. Er musste unbedingt kürzertreten. Mit einem Seufzer steckte er das Päckchen wieder zurück.
    Er trat ans Fenster und schlürfte den Pastis. Sein Blick schweifte zum nahen Stadtgarten hinüber. Er sog das Bild der bunt gefärbten Laubgehölze in sich auf, die sich wie Küken um die schützenden Solitärbäume scharten oder in lockeren Gruppen, wie von einem Landschaftsmaler hingetupft, den Steilhang hinaufzogen. Der Überlinger Indian Summer ließ grüßen.
    Mit Gewalt musste sich Wolf von diesem Bild losreißen. Was für ein enttäuschender Vormittag, resümierte er. Das Spektakel im Krankenhaus hatte sie keinen Deut weitergebracht. Dumm gelaufen, konnte man da nur sagen. Das heißt, so ganz stimmte das nun auch wieder nicht. Natürlich zählten am Ende immer nur Ergebnisse, doch ihr Plan hatte sich zumindest im Ansatz als richtig erwiesen. Und wenn ihnen der Mann auch durch die Lappen gegangen war: Sie hatten eine brauchbare Personenbeschreibung. Nicht viel, aber immerhin. Die sonstige Spurenlage allerdings war mehr als bescheiden. Der Täter hatte die im Krankenhaus gängigen Einweghandschuhe getragen, wie Sammet und Vögelein unisono berichteten. Die hatte er während seiner Höllenfahrt auf der Suzuki ganz sicher nicht abgestreift. Auf der Maschine würden sie demnach keine Fingerabdrücke finden. Auch auf Mikro- oder DNA -Spuren wagte Wolf kaum zu hoffen.
    Was Wolf nach wie vor am meisten beschäftigte, war die Frage, wie es der Flüchtende geschafft hatte, ihnen zu entwischen? Hatten sie sich vielleicht doch im Gebäude geirrt? Gab es einen Zugang, den sie übersehen hatten? Verfügte der Mann über Helfershelfer – oder hatte diese bigotte Sektengemeinschaft womöglich doch die Hand im Spiel? Wolf verwarf diesen Gedanken wieder. Nach seinem Eindruck waren die Leute auf eine Weise gottbesessen, die jegliche Beteiligung an kriminellen Handlungen von vornherein ausschloss. Verblendung ja, sogar bis hin zu religiösem Fanatismus. Aber Mord? Unmöglich.
    Der Vernehmungsraum im Untergeschoss zeichnete sich vor allem durch seine spartanische Einrichtung aus: ein Tisch, gut zwei Meter lang, mit acht Holzstühlen drumherum; dazu ein Flipchart, ein Sideboard mit Schiebetüren und einem Telefon drauf – das war’s auch schon. An einer der Stirnwände war ein größerer Spiegel angebracht, durch den sich von einem kleinen Nebenraum aus Verhöre verfolgen ließen, ohne dass die Delinquenten das mitbekamen.
    Anwesend waren neben Jo und Vögelein auch Preuss und Sammet. Bevor sie offiziell wurden, verdrückten sie die mit daumendicken Leberkässcheiben belegten Brötchen und tranken Mineralwasser oder Kaffee dazu. Nur wenige Worte fielen.
    Schließlich wischte sich Wolf mit einer Serviette über den Mund und klatschte entschlossen in die Hände: »Also, Leute, fangen wir an!«
    Vögelein, noch eine Spur blasser als sonst und wie Sammet bereits über die ergebnislose Verfolgung im Bilde, machte den Anfang. Nachdem er lautstark seinen überdimensionalen Riechkolben geschneuzt und anschließend mit gekonntem Schwung eine rötliche Pille eingeworfen

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