Seeteufel
hatte, griff er zu seinem Notizbuch.
»Zunächst einmal zu den Vorgängen im Krankenhaus«, begann er. »Der Eindringling beschaffte sich in einem unbeobachteten Moment einen dieser grünen Kittel, wie ihn die Ãrzte der Intensivstation tragen, dazu diverses Gerät, unter anderem ein Stethoskop. Um an das Zeug zu kommen, lockte er nach Aussage der Oberschwester das Pflegepersonal durch einen vorgetäuschten Notfall aus dem Schwesternzimmer. Danach versuchte er mehrfach, an den Kollegen Sammet ranzukommen. Als ihm dies nicht gelang, löste er den Feueralarm aus. Das geht ganz einfach: Die Station verfügt über drei Melder, bei jedem ist der Knopf durch eine dünne Glasscheibe gesichert, die sich schnell und geräuschlos eindrücken lässt.«
»Während alle ringsum abgelenkt waren«, fuhr Sammet fort, »stand der Kerl plötzlich mit einer Spritze neben meinem Bett und setzte sie an einen Infusionsschlauch. Ehe ich reagieren und mich von den zahlreichen Kabeln und Schläuchen befreien konnte, legte er mir auch schon seine Hand auf den Mund und drückte mich in das Kissen zurück.«
»Was hat er gespritzt?«, wollte Wolf wissen.
»KCI, besser bekannt unter dem Namen Kaliumchlorid. Wird auch zur Einschläferung von Tieren, in manchen Ländern sogar bei Hinrichtungen benutzt. Kannst du in Ampullen in jeder Apotheke bekommen. Das Zeug lässt sich intravenös spritzen oder über eine Infusion zuführen und ist später praktisch nicht nachweisbar. In meinem Fall nicht mal durch eine Einstichstelle. Wie mir die Ãrzte nach der Reanimation berichteten, muss ich ganz schnell weg gewesen sein. Kammerflimmern! Gott sei Dank haben sie neben dem Bett die Ampulle gefunden, sodass sie wussten, was mir der Dreckskerl gegeben hatte und mich per Defi zurückholen konnten.«
»Ist die Fahndung nach dem Täter raus?«, wollte Wolf wissen.
»Fahndung läuft, Chef. Allerdings ⦠ob sie was bringt, ist mehr als fraglich â¦Â« Vögelein lieà den Rest des Satzes in der Luft hängen.
»Was willst du damit sagen?«
Umständlich schneuzte sich Vögelein aufs Neue, ehe er fortfuhr. »Nun, irgendetwas an dem Kerl war merkwürdig, ich kam nur nicht drauf, was. Erst als er mir sein Knie in die Eier â¦Â«Â â mit einem schnellen Seitenblick auf die grinsende Jo korrigierte er sich â »â¦Â zwischen die Beine rammte, kam mir blitzartig die Erleuchtung.« An dieser Stelle musste er ein weiteres Mal unterbrechen, da seine Kollegen zu prusten begannen.
Verärgert rief er: »Was gibtâs da zu lachen? Mir blieb zwar die Luft weg, aber hirnmäÃig war ich voll da! Um es kurz zu machen: Der Mann trug eine Perücke!«
»Eine Perücke?«, echote Jo überrascht.
»Für Perücken hab ich einen Blick. Hatte da mal eine Freundin, die ⦠na, ja, tut nichts zur Sache. Sein silbergrauer Haarschopf war einfach zu üppig, nirgends war der Haaransatz zu erkennen, obendrein passten Haupthaar und Wimpern nicht zusammen.«
»Vermutlich war auch die Brille falsch«, murmelte Preuss und rieb sich nachdenklich das Kinn.
»AuÃerdem gehe ich jede Wette ein, dass die auffällige Warze am Kinn nicht echt war.«
»Das einzig Echte an dem Kerl ist wohl der Speck auf seinen Rippen«, maulte Preuss und schlug verärgert mit der Hand auf den Tisch.
»Sieht ganz so aus. Eines allerdings muss man ihm lassen: Er ist gut zu FuÃ!« Jo verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
»Was ist mit der Spritze? Irgendwelche Spuren daran?«, hakte Preuss nach.
»Wie denn?« Vögelein hob die Schultern. »Der Kerl trug Handschuhe, trat schlieÃlich als Arzt auf.«
»Und was ist mit der roten Suzuki?«, fragte Wolf.
»Unsere Techniker sagen: Fehlanzeige. Bis jetzt wenigstens, allerdings laufen die Untersuchungen noch. Der Halter hat die Maschine übrigens heute früh als gestohlen gemeldet.«
Längeres Schweigen machte sich breit. Dann fasste Wolf das Ergebnis ihrer Besprechung zusammen: »Klingt ziemlich beschissen, würde ich sagen.«
»In der Tat. Wir sind gründlich verladen worden«, nickte Jo.
Der Satz war noch nicht verklungen, als plötzlich Sommer den Raum betrat. Wie ein witterndes Tier hob er die Nase, als spürte er dem Leberkäsduft nach. Ohne jedoch näher darauf einzugehen, erklärte er: »Wollte
Weitere Kostenlose Bücher