Seeteufel
mich nur kurz nach dem Stand der Dinge erkundigen. Wenn ich mich eben nicht verhört habe, steht der Durchbruch noch aus, richtig?« Ohne Wolfs Bestätigung abzuwarten, fuhr er fort: »Bin gewissermaÃen auf dem Sprung. Meeting beim LKA . Unsere heutige Lagebesprechung muss also ausfallen, Leo. Du hältst mich über den Fall auf dem Laufenden, ja? Bis morgen dann!« Schon war er wieder weg.
Wolf, der während Sommers Stippvisite keine Miene verzogen hatte, stand wortlos auf und trat ans Flipchart. Er riss das bei einer früheren Besprechung beschriebene oberste Blatt ab, zerknüllte es und warf es in den Papierkorb. Danach nahm er einen schwarzen Filzschreiber zur Hand, teilte den nächsten, noch jungfräulich weiÃen Bogen in der Mitte durch eine senkrechte Linie und wandte sich schlieÃlich wieder seinen Kollegen zu.
»Wir scheinen ein Phantom zu jagen. Seit zwei Tagen läuft da drauÃen ein Mörder herum, und wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, wer oder was sich dahinter verbirgt. Ich denke, wir sollten einfach mal die uns bekannten Fakten, einfach alles, was uns einfällt, aufschreiben und schauen, wo sich neue Ansatzpunkte ergeben. Vielleicht haben wir etwas übersehen und erkennen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Möglicherweise verfügen wir ja längst über alle notwendigen Einzelinformationen und haben sie nur noch nicht richtig verknüpft. Eines ist jedenfalls sicher: Wenn wir nicht binnen zwei Tagen einen Erfolg vorweisen können, machen uns die Medien die Hölle heiÃ. Also ⦠wer macht den Anfang?«
»Moment noch: Was soll die senkrechte Linie, Chef?«, fragte Jo und ging noch einmal mit der Kaffeekanne herum.
»Ich dachte, wir schreiben in das linke Feld alle Fakten, die wir als gesichert betrachten. Daneben listen wir alles andere auf: Verdachtsmomente, denkbare Querverbindungen, Zeugenhinweise, Statements, Gerüchte, alles, was auch nur entfernt im Zusammenhang mit unserem Fall stehen könnte. Lasst eurer Phantasie freien Lauf.«
Vögelein schneuzte in sein Taschentuch, ehe er die Hand hob: »Dann sollten wir mit den drei Toten beginnen. Sie sind Fakt, mit ihnen hat die ganze Chose angefangen.«
»Richtig.« Wolf schrieb die Namen der drei Mordopfer in die linke Spalte. »Weiter?«
Ein Stichwort gab das andere. Nach einer Dreiviertelstunde war das Blatt proppenvoll, Wolfs Schrift zuletzt immer kleiner geworden. Niemand hatte mit einem Volltreffer gerechnet, dafür war die Faktenlage einfach zu dünn. Aber immerhin ergaben sich einige interessante Teilaspekte. Der Fiat Stilo zum Beispiel, der Karin Winter bei ihrer Fahrt zur Birnau gefolgt war, prangte auf der linken Seite der Ãbersicht und hatte sich zu Wolfs Ãberraschung als Firmenfahrzeug des »Seekurier«-Verlages herausgestellt. Dummerweise lieà sich für die fragliche Zeit kein Fahrer ermitteln; für den Wagen existierten mehrere Schlüssel, auf die Gott und die Welt Zugriff hatten. Es war also zu klären, ob jemand aus der Belegschaft Karin Winter beschattet hatte und inwieweit es einen Zusammenhang zu dem Anschlag in ihrer Wohnung oder gar zu der Mordserie gab. Auf alle Fälle musste das Fahrzeug schnellstmöglich zur KTU .
Leider war die Untersuchung von Karin Winters Wohnung noch nicht abgeschlossen, möglicherweise ergaben sich daraus Anhaltspunkte für gezielte Ermittlungen. Zudem versuchten mehrere Beamte seit den frühen Morgenstunden, den Lieferanten des Benzinkanisters ausfindig zu machen, mit dessen Hilfe die Täter das Pennerquartier abgefackelt hatten.
Die angebliche Erbschaft, die Wolf auf der rechten Seite des Blattes notiert hatte, war ebenfalls ein Punkt, dem sie unbedingt weiter nachgehen mussten. Falls Havanna und Einstein tatsächlich zu Geld gekommen waren, ergab sich daraus nämlich gleich ein ganzer Sack voller Fragen. Wer war der Erblasser und wie hoch war der Nachlass? Welcher Art war die Verbindung zwischen den beiden Pennern und dem Erblasser? Und schlieÃlich die Kardinalfrage: War der plötzliche Reichtum von Havanna und Einstein ursächlich für ihren Tod? Um in dieser Sache weiterzukommen, brauchten sie Göbbels. Jo war sicher, dass er der anonyme Anrufer gewesen war, also ordnete Wolf an, nach ihm fahnden zu lassen.
»Und dann sollten wir das Arsen nicht vergessen«, meldete sich Jo noch einmal zu Wort. »Irgendwo müssen die Täter
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