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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Vorgang selbst berührte ihn nicht mehr sonderlich.
    Während des fünfminütigen Fußmarsches hielt er immer wieder Ausschau nach Karin Winter, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Wahrscheinlich wartete sie in der Nähe des Grabes. Wolf konnte nur hoffen, dass sie sich unauffällig verhielt; es wäre ihm unangenehm, wenn Hirth sie entdeckte. Staatsanwälte hatten von Berufs wegen eine Aversion gegen Presseleute, noch dazu bei einer kurzfristig anberaumten Exhumierung. Misstrauisch, wie sie waren, vermuteten sie sofort eine undichte Stelle im Sicherheitsapparat.
    Endlich waren sie an ihrem Bestimmungsort angelangt. Akribisch überzeugte sich der Beamte der Friedhofsverwaltung davon, dass sie auch wirklich das gesuchte Grab vor sich hatten und machte einen entsprechenden Vermerk in sein Protokoll. Sodann stellte er die Anwesenheit der für eine Exhumierung vorgeschriebenen Personen fest. Auf eine entsprechende Frage des Staatsanwaltes erklärte er, dass die Verstorbene keine Angehörigen gehabt habe. Dann begannen die beiden Arbeiter damit, rings um die Grabstelle Plastikplanen auszulegen, ehe sie mit den Grabarbeiten begannen.
    Ãœber den Zustand der Leiche machte sich Wolf keine großen Gedanken. Von dem Beerdigungsunternehmer hatte er erfahren, dass für die Bestattung ein Eichensarg verwendet worden war. Solche Särge waren, unabhängig von Erddruck und Bodenbeschaffenheit, nach nur drei Monaten mit Sicherheit noch völlig intakt. Wolf kannte sogar einen Fall, wo ein Eichensarg nach über dreißig Jahren aus der Erde geholt worden war und sich der Sarg wie auch der Verstorbene noch in gutem Zustand befunden hatten.
    Je tiefer die Arbeiter gruben, desto stärker frischte ein kühler Wind auf, sodass Wolf sein Barett fester über den Kopf ziehen musste. Fast kam es ihm so vor, als wolle sich die Verstorbene gegen die Störung der Totenruhe wehren. Irgendwann stieß einer der Spaten auf Widerstand. Mit erhöhter Vorsicht gruben die Arbeiter weiter, bis der Sarg freigelegt war. Nun führten die Männer zwei kräftige Gurte unter dem Sarg hindurch, anschließend stiegen beide auf einer hinabgelassenen Leiter nach oben und zogen den Sarg mit Hilfe der Gurte hinauf, um ihn auf den Wagen zu setzen. Eine Viertelstunde später war die Prozedur überstanden.
    Wolf hatte sich verabschiedet und befand sich auf der Rückfahrt in die Polizeidirektion. Noch am Abend würde Dr.   Reichmann die Leiche obduzieren, und bereits am folgenden Morgen läge ein Vorabergebnis auf seinem Tisch, das sich freilich durch die nachfolgenden chemischen Analysen noch ändern konnte. Immerhin: Mit einiger Sicherheit würden sie danach beurteilen können, ob die alte Dame eines natürlichen Todes gestorben war oder ob sich ihr Verdacht auf einen Gifttod erhärtete.
    Noch einmal fiel ihm Karin Winter ein. Hatte sie die Exhumierung vergessen? Das würde überhaupt nicht zu ihr passen. Hatte sie den falschen Friedhof aufgesucht? Quatsch, er hatte ihr ausdrücklich den Hauptfriedhof genannt. Oder war ihr etwas Wichtigeres dazwischengekommen? Jedenfalls hatte er sie nirgends gesehen. Schnell verdrängte er den Gedanken an die Journalistin wieder; er würde den Grund ihrer Abwesenheit noch früh genug erfahren. Jetzt musste er erst mal nachdenken! Aus unerklärlichen Gründen hatte er das Gefühl, dass sie mit ihrem Fall an einem Wendepunkt standen. Gebe Gott, dass es so war, denn spätestens beim nächsten Toten hätten sie ein ernstes Problem.
    Dann würde sie die Presse in der Luft zerreißen.
    * * *
    Langsam, einen Laut des Wohlbehagens ausstoßend, glitt der Rothaarige in den Whirlpool. Dieses herrlich vitalisierende Prickeln auf der Haut, diese wohlige Wärme, die den Körper umhüllte – das war so ganz nach seinem Geschmack. Konnte man den Tag angenehmer ausklingen lassen? Wohl kaum.
    Doch schnell machte er sich von dem Gedanken frei; zu ernst war der Anlass seines Hierseins, um sich in derart banalen Vorstellungen zu verlieren. Wo nur sein Kompagnon blieb? In immer kürzeren Abständen sah er zu der Normaluhr hinauf, die von der Hallendecke hing und deren großer Zeiger sich unerbittlich weiterbewegte. Um zwanzig Uhr hatten sie sich in der Meersburger Bodenseetherme treffen wollen, nun war es bereits dreißig Minuten nach der vereinbarten Zeit. Beunruhigt ließ er den Blick durch die Halle schweifen,

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