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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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flöten, »bis Mittag also.« Wenn ihre Ahnung nicht trog, dann war die Sache dieses Opfer wert.
    Friedhelms Antwort konnte sie nicht mehr hören, ihrem Handy war endgültig der Saft ausgegangen. Egal, die Information des Notars hatte sie just in time erreicht, wie Matuschek jetzt wahrscheinlich gesagt hätte. Achtlos warf sie das Gerät in den Wagen. Sie war nicht traurig, denn zum Sport gehörte schließlich das Naturerlebnis, da störte die Quasselbox nur. Außerdem konnte sie so in Ruhe über das eben Gehörte nachdenken.
    Während sie nach ihren Stöcken griff und den Wagen abschloss, rief sie sich noch einmal das letzte Treffen mit Friedhelm Sonntag ins Gedächtnis. Drei Tage lag die Unterredung erst zurück, und dennoch: Welche Dynamik hatte der Fall seitdem entwickelt! Inzwischen gefährdete er sogar ihre persönliche Sicherheit. Seit Tagen schlief sie in einer Nussdorfer Pension, ihre Wohnung hatte sie in dieser Zeit nur einmal aufgesucht – in Begleitung eines kräftigen Kollegen. Leider steckten die Ermittlungen derzeit in einer Sackgasse, aus der bislang nicht einmal Wolf einen Ausweg wusste. In dieser Situation war ihr jede Information willkommen, die sie einer Lösung des Falles näher brachte, mehr noch: Sie war geneigt, Friedhelm Sonntags Anruf als unverhofftes Geschenk zu betrachten, zumal sie von dem Todesfall, auf den sich der Anruf des Notars bezog, noch wenige Augenblicke zuvor nicht die geringste Ahnung hatte.
    Solchermaßen ihre Gedanken ordnend, setzte sie sich in Bewegung und lief unbeschwert in den Wald hinein, bei jedem Schritt darauf achtend, die Füße von der Ferse her abzurollen und taktgenau die Stöcke zu setzen. Nach wenigen Minuten hatte sie ihren Rhythmus gefunden, ging ihr Atem ruhig und gleichmäßig. Nahm sie anfänglich nur im Unterbewusstsein das entfernte Brausen und Tosen wahr, das linker Hand aus der Tiefe scholl, so verstärkte sich das Geräusch nun mit jedem Schritt, den sich ihre Laufstrecke dem tief eingeschnittenen Hödinger Tobel mit seinem wilden Sturzbach näherte.
    Karin liebte diese Landschaft, die mit Mischwald und dichtem Unterholz bestandene Hochfläche mit ihren lauschigen Wegen, die sich aus dem Hinterland nach Südwesten vorschob, um ganz überraschend, hoch über dem See, den Blick über die flirrende Wasserfläche und das jenseits davon liegende Konstanzer Ufer freizugeben und kurz darauf steil abzubrechen – so steil, dass sich an schönen Wochenenden hier zahlreiche Drachenflieger ein Stelldichein gaben, um von einer hölzernen Rampe aus vogelgleich über den See zu schweben.
    Heute jedoch schien der Wald nur ihr zu gehören. Weder Läufer noch Spaziergänger waren ihr bislang begegnet, selbst auf dem Parkplatz am Rande des Naturschutzgebietes, auf dem sie wie gewohnt ihren Wagen abgestellt hatte, war sie zunächst allein gewesen. Später war ein zweiter Wagen aufgetaucht, ein grauer Audi älteren Jahrgangs, wenn sie recht gesehen hatte. Allerdings war er nach kurzem Stopp wieder weggefahren, ein Stück den Berg hinauf. Vermutlich versprach sich der Fahrer von dort eine noch schönere Fernsicht. Hier oben jedenfalls hätte sich selbst eine Hundertschaft tummeln können, es war genug Platz für alle da.
    Erneut kreisten ihre Überlegungen um die mysteriösen Arsenmorde, auf die sie sich so gar keinen Reim machen konnte. Selbst durch das schwache Geräusch, das nach einer Weile für einen kurzen Moment hinter ihr aufklang und sich wie entferntes Klappern von Laufstöcken anhörte, ließ sie sich in ihren Gedankengängen nicht stören. Wer war zu diesen abscheulichen Taten fähig, wo war das Motiv? Was verband die toten Witwen mit den gleichfalls toten Pennern? Fragen über Fragen – und keine Antworten.
    Auch wenn ihr die mehr oder weniger offenen Avancen Friedhelm Sonntags missfielen: Sollte er es schaffen, wenigstens ein kleines bisschen Licht in das Dunkel zu bringen, so würde er in ihrer Beliebtheitsskala um einige Punkte steigen.
    Ein weiteres Mal vernahm sie hinter sich ein metallisches Klackern, diesmal etwas näher. Karin war das Geräusch wohlvertraut: Der Stock eines Walkers oder einer Walkerin hatte einen Stein touchiert. Also war sie doch nicht die Einzige, die durch den Wald trabte. Vielleicht eine Bekannte? Ihre Neugier siegte, mitten im Lauf drehte sie sich um. Doch niemand war hinter

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