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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Informationsquelle verzichten?«
    Unruhig trat Vögelein von einem Fuß auf den andern. »Denken Sie, was ich denke, Chef?
    In diesem Augenblick klingelte Wolfs Handy. Reflexartig riss er das Gerät ans Ohr und nannte seinen Namen. Eine paar Sekunden hörte er seinem Gegenüber wortlos zu, während sich in seinem Gesicht die unterschiedlichsten Empfindungen spiegelten – von gespannter Erwartung bis zu ungläubigem Staunen. Plötzlich schnappte er nach Luft. »Moment, sagen Sie mir doch wenigstens Ihren Namen …« Doch der Anrufer hatte das Gespräch bereits unterbrochen.
    Wolf war geschockt. Wenn stimmte, was er eben gehört hatte, dann hatte er keine Wahl.
    Â»Auf geht’s, Hanno, Einsatz«, stieß er hervor und rannte zu seinem Wagen.
    * * *
    Karin wusste, dass sie nicht mehr unbeschadet aus der Geschichte herauskommen würde. Der Mann war Teil des Phantoms, dem Wolf seit Tagen auf den Fersen war – bislang ohne Erfolg. Auch wenn sie ihm noch nie begegnet war, so war sie doch absolut sicher, dass es sich um einen der Täter handelte. Seine Physiognomie hätte sie selbst im Dunkeln erkannt. Das volle Gesicht, die füllige Statur, die wilde Haarpracht … die Beschreibung kannte sie längst auswendig. Und sie hatte die Phantombilder gesehen.
    Ihr fiel das Boot mit den beiden toten Pennern ein. Und Otto, wie er nächtens im Gondelhafen lag, den starren Blick zum Himmel gerichtet, bis ihm der Notarzt die Augen schloss.
    Würde sie das nächste Opfer sein?
    Panik überkam sie. Wie unter Zwang begann sie zu laufen, weg, nur weg hier. Gerade wollte sie ihre Stöcke zur Seite werfen, als ihr einfiel, dass sie damit ihre einzige Waffe aus der Hand geben würde. Sie beschleunigte ihre Schritte, kam regelrecht ins Rennen, getrieben von der Angst, in die Hände ihres Verfolgers zu fallen. Hinter sich glaubte sie, das Getrappel von Schritten, das Brechen von Ästen zu hören. Angstvoll schnellte sie herum, um den erwarteten Angriff abzuwehren – doch da war niemand.
    Sollte sich der Mann etwa seitwärts in die Büsche geschlagen oder gar kehrtgemacht haben? Ein Blick zurück belehrte sie eines Besseren. Natürlich hatte der Kerl nicht aufgegeben, im Gegenteil: Wie ein Panzer, dem nichts widerstehen konnte, stampfte er den Weg entlang, kam Schritt um Schritt näher, direkt auf sie zu. Unaufhaltsam, bedrohlich und ganz ohne Hast, so als hätte er alle Zeit der Welt.
    Und die hatte er ja auch, schoss es ihr blitzartig durch den Kopf, als sie mit ein paar letzten, hastigen Schritten den Abbruch erreichte. Hier war der Weg unwiderruflich zu Ende. Es gab nur noch eine Richtung: nach unten. Falls sie keinen Abstieg durch die brüchige Steilwand fand, bliebe ihr nichts anderes übrig, als sich ihrem Verfolger zu stellen. Nur gut, dass sie ihre Stöcke nicht weggeworfen hatte; vielleicht konnte sie ja den Mann mit Hilfe der Stahlspitzen beiseitedrängen und flüchten?
    Und dann, ganz plötzlich, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Absperrung da vorne – das war kein Zufall gewesen, das war sorgfältig eingefädelt. Ganz bewusst hatte man sie auf diesen Weg gelockt. Und sie wusste auch, warum: Man wollte sie vorne am Abgrund haben, um sie ohne viel Federlesens in die Tiefe stoßen zu können. Es würde wie ein Unfall aussehen, kein Verdacht würde auf die Arsenmörder fallen, und es würde keine Spuren geben.
    Es war merkwürdig, aber mit dieser Erkenntnis kehrte auch ihr Kampfgeist zurück. Nein, so leicht, wie der Kerl annahm, würde sie es ihm nicht machen – jetzt, wo er aus seiner Anonymität herausgetreten war und ihr Auge in Auge gegenüberstand. Ganz im Gegenteil: Sie war fest entschlossen, sich so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Kaum zu Ende gedacht, spitzte sich die Lage zu. Auf den letzten Metern hatte der Mann an Tempo zugelegt, nur noch wenige Armlängen trennten ihn von Karin, schon hob er seine Stöcke auf Brusthöhe an. Seine Absicht war offenkundig: Er wollte sie mit einem Stoß über die Kante befördern, etwa so, wie man eine lästige Fliege vom Tellerrand wischt.
    Umso überraschter wirkte er, als Karin sich mit einer schnellen Körperdrehung aus dem Gefahrenbereich brachte und postwendend zum Gegenangriff überging. Dabei brauchte sie die Drehung nur weiterzuführen, sich einmal komplett um die eigene Achse zu drehen

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