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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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überhaupt nicht.
    Sie schloss die Wohnungstür hinter sich.
    Als sie nach draußen kam, waren die Wolken heller geworden und hatten verschiedene Nuancen von Braun angenommen. Die Häuser sahen aus, als wollten sie abheben wie ein Raumschiff aus Stein und durch den Lederhimmel davonsegeln, in eine bessere Welt.
    Die Routine begann wieder, unerbittlich in ihrer Gleichgültigkeit angesichts menschlichen Unglücks. Was wäre sonst möglich gewesen, dachte er an seinem Schreibtisch. Dieser Schreibtisch, beladen mit Papieren und Fotos und schwer von Blut. Ja. Schwer von Blut.
    Abgenutzt von Ellenbogen, Gedanken, Gemurmel, Ausbrüchen, Abbrüchen. Einbrüchen. Einmal war in sein Zimmer eingebrochen worden. Der Dieb hatte sich vom Untersuchungsgefängnis heruntergelassen und war durch das offene Fenster eingestiegen. Er hatte den Panasonic geklaut und war draußen auf dem Korridor geschnappt worden, klar. Aber das war ein Ding! Winter hatte seinen Hut gelüftet. Der Kerl sitzt wegen Diebstahlverdacht in Untersuchungshaft und bricht gleich wieder in das Unaufbrechbare ein und begeht einen neuen Diebstahl! Im Polizeipräsidium! Touche! Er war im südöstlichen Gangstersumpf der Stadt ein Vorbild gewesen, dort, wo selbst die Sonne selten zu sehen war.
    Südosten. Er dachte an das südöstliche London, unterhalb von Brixton. Croydon. Und oberhalb: Bermondsey, Charlton, lichtscheue Gegenden südöstlich des Flusses. Millwall, die von Gott vergessene Fußballmannschaft. We are Millwall, no one likes us.
    Der Kollege, der dort Mordfälle ermittelte. Und der alle gelöst hatte bis auf einen, und dies Misslingen ließ ihm keine Ruhe.
    Sie waren gemeinsam in den Untergrund gegangen, dort, auf jenen Straßen, und dann auch hier, in Göteborg. Winter war nicht darüber hinweggekommen, würde nie darüber hinwegkommen. Er war immer noch ein Mensch, trotz aller Routine. Nein, im Gegenteil: Die Routine half ihm, seine Menschlichkeit zu bewahren.
    Er sah auf die Uhr, hob den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer.
    »Yeah, hello?«
    »Steve? It's Erik here.«
    »Well, well.«
    »How 's it going?«
    »Going, going, gone. Counting the days to my retirement.«
    »Come on. You're still a young man«, sagte Winter.
    »That's just wishful thinking, man.«
    Winter lächelte. Macdonald bezog sich auf sein eigenes Alter, er war genauso alt wie der schottische Kommissar.
    »Do you know that song, oh thou Erik the rock 'n' roll wizard!?«
    »What song?«
    »It's been a long, long time.«
    »Sure. It's by Steve Macdonald and the Bad News.«
    Winter hörte Macdonalds Lachen, es klang, wie wenn jemand mit einem Geigenbogen über einen Felsen strich.
    »It's George Harrison. Heardthe name?«
    »Actually I have. And he's really gone. I read about it in Angela's Mojo.«
    »You read Mojo!?«
    »I said it was Angela's.«
    Macdonald schwieg einen Augenblick.
    »Wenn ein Beatle die Welt verlässt, ist die Welt nicht mehr dieselbe«, sagte er dann.
    »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst«, sagte Winter.
    »Hast du so bei Coltrane gefühlt? Oder Miles Davis?«
    »Irgendwie ja. Und wieder nicht. Wenn ich jetzt verstehe, was für ein Gefühl du hast.«
    »Lassen wir das Thema?«, sagte Macdonald.
    »Danke.«
    »Ich hab von dem Fest gelesen, das ihr beim EU-Gipfel und mit George Bush gefeiert habt«, sagte Macdonald. »Das hat aber nicht in Mojo gestanden, allerdings in Allen Zeitungen.« Winter antwortete nicht.
    »Ich muss sagen, ich bin erstaunt«, sagte Macdonald. »Worüber?« »Die Gewalt.« »Welche Gewalt?«
    »Höre ich einen abwartenden Ton in deiner Stimme , Erik?«
    »Ich meine, wie die Gewalt bei euch beschrieben wird. Es gab verdammt viel Gewalt, das streite ich nicht ab. Ich möchte nur wissen, welche Seite der Gewalt in britischen Zeitungen beschrieben wird.«
    »Die von deiner Seite, Erik.«
    »Das ist auch deine Seite«, sagte Winter und dachte an die Glasvitrine im Foyer des Polizeipräsidiums, an all die ausländischen Polizeimützen, die dort lagen, wie um die Bruderschaft der Polizei über die großen Meere hinweg zu illustrieren.
    »Kiss my ass«, sagte Macdonald, »ich empfinde genauso viel Solidarität mit dem Polizeikorps wie Herr double-U Bush im Augenblick mit den Taliban.«
    »Das ist aber nicht viel Solidarität«, sagte Winter.
    »Dagegen würde ich immer meine Lanze für dich ziehen, Erik.«
    »Das war eins der Probleme bei den GöteborgkrawAllen«, sagte Winter. Oder dem Göteborgsfest, dachte er. Die Kollegen aus Stockholm

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