Segel aus Stein
nannten die Ereignisse das Göteborgfest. »Das Problem war, dass wir keine Lanzen hatten.«
»Ihr scheint überhaupt nicht vorbereitet gewesen zu sein«, sagte Macdonald.
»Wie bei den Zusammenstößen in Brixton, oder?«, erwiderte Winter. »The Clash?«
»Touche«, sagte Macdonald.
»Aber jetzt könntest du vielleicht eine Lanze für mich ziehen«, sagte Winter, »bildlich ausgedrückt.«
»Lass hören.«
Winter erzählte von seinem Gespräch mit Johanna Osvald.
»Vielleicht ist es an der Zeit, eine Suchmeldung herauszugeben«, sagte Macdonald.
»Ich werde noch mal mit ihr reden«, sagte Winter.
»Wenn der Vater nicht bald wieder auftaucht, kann ich mich ja mal etwas umhören«, sagte Macdonald.
Winter wusste, dass Steve aus einer kleinen Stadt nicht weit entfernt von Inverness kam. Der Name fiel ihm im Augenblick nicht ein.
»Hast du je in Inverness gearbeitet, Steve?«
»Ja, sogar als Kriminalassistent. Ich bin vom Polizeirevier Forrest dorthin gekommen, das war der nächste größere Ort.«
»Wo liegt das noch?«
»Mein Zuhause? Ein kleines Wildwest-Loch, das Dallas heißt.«
Winter lachte.
»Es heißt wirklich so«, sagte Macdonald, »die Urmutter vom großen Dallas im großen Texas. Mein Dallas besteht aus einer Straße und einer Reihe Häuser zu beiden Seiten, das ist alles, abgesehen von den zwei Höfen am südlichen Abhang, wovon der eine uns gehört.«
Ja. Winter wusste, dass Macdonald Bauernsohn war.
»Leben deine Eltern noch?«
»Ja.«
Winter schwieg.
»Ich hab auch noch eine Schwester, die wohnt jetzt in Inverness«, sagte Macdonald.
»Das wusste ich nicht«, sagte Winter.
»Ich auch nicht bis vor einem halben Jahr«, sagte Macdonald. »Eilidh hat hier unten in the Smoke gewohnt, im einfacheren Teil von Hampstead, aber zwischen ihr und ihrem Mann ist was passiert, da ist sie zurückgekehrt und innerhalb von vierundzwanzig Stunden oder so ähnlich hat sie eine neue Kanzlei dort oben aufgemacht.«
»Neue Kanzlei?«
»Eilidh ist Juristin. Jetzt betreibt sie zusammen mit einer anderen Frau in ihrem Alter eine kleine Kanzlei, kein Strafrecht. Macduff & Macdonald, Solicitors. Das hat den Hof in Dallas stolz gemacht.«
»Stolzer als auf dich?«
»Jesus, Erik, auf mich ist noch nie im Leben jemand stolz gewesen.«
»Das ist gut«, sagte Winter.
»Aber Eilidh ist eine schottische Donna, die der Bewunderung würdig ist.«
»Wie alt ist sie?«, fragte Winter.
»Wieso?«, fragte Macdonald, und Winter meinte ein Lächeln zu hören.
»Ich habe aus Höflichkeit gefragt«, sagte Winter.
»Siebenunddreißig«, sagte Macdonald. »Fünf Jahre jünger als du und ich.«
»Mhm.«
»Und zehnmal schöner als du und ich.« »Das nenne ich schön«, sagte Winter.
»Aber ich glaube, uns kann sie in dieser Angelegenheit nicht helfen«, sagte Macdonald.
»Das hängt davon ab, was passiert ... Darf ich mich gegebenenfalls wieder bei dir melden und dich bitten, dass du dich bei den Kollegen dort oben umhörst?«
»Natürlich.«
»Gut.«
»Vielleicht sollte ich einen Abstecher machen und mich selbst informieren«, sagte Macdonald.
»Wie bitte?«
»Nee, ich hab nur laut gedacht. Aber eine kleine Abwechslung wäre gut. Was meinst du? Wollen wir uns in Inverness treffen und gemeinsam ein neues Rätsel lösen?«
Winter lachte.
»Was für ein Rätsel?«
Vier Tage später hätte er nicht mehr über Macdonalds Scherz gelacht, da es kein Scherz mehr war. Der Scherz war zu einem Rätsel geworden.
Aneta Djanali war wieder in ihrer kleinen Welt, einer besseren Welt. Sie trank in aller Stille ein Glas Wein. Es war Rotwein. Burkina Faso müsste ein gutes Weinland sein. Die Trauben waren groß und furchtbar süß. Dort gab es nichts, worauf sie wachsen konnten, sie wuchsen aber trotzdem. Nicht viele tranken Wein in dem teilweise muslimischen Burkina Faso. Vielleicht wurde deswegen kein Wein erzeugt. Außerdem konnte sich kaum jemand Wein leisten. Nur wenige hatten jemals eine Flasche Wein zu Gesicht bekommen. Eine hatte sie im Hotel in Ouagadougou gesehen, die Flasche wurde zu einer fetten, lauten französischen Familie getragen. Die Familie hatte mit aufgekrempelten Ärmeln Lamm und Couscous gegessen. Der Kellner hatte die Flasche getragen, als ob sie Nitroglyzerin enthalte.
Ihr Vater hatte ihr gegenübergesessen, und er hatte die Franzosen angesehen wie ein Afrikaner, der weiter als bis ans Ende der Zeit sieht. Der Vater war kein Europäer mehr gewesen, kein Schwede, all das war verschwunden, als er
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