Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Fähigkeiten zu nutzen.«
    »Ich mag dich trotzdem, Erik.« Sie lächelte.
    »Du hast noch nicht probiert.«
    Sie tranken im Dunkeln Kaffee. Das einzige Licht war der nächtliche Schein der Stadt dort draußen. Es war konstant, wie ein ewiger Tag.
    »Früher nannte man das Schummerstunde halten«, sagte Angela. »Eine der Schwestern in unserer Abteilung sagt das manchmal.«
    »Hübscher Ausdruck.«
    »Mhm.«
    »Heißt das auf Deutsch auch so?«, fragte Winter. »Gibt es so einen Ausdruck?«
    »Keine Ahnung.«
    Angela stammte aus Deutschland, eigentlich aus dem früheren Ostdeutschland, der so genannten DDR, Leipzig, alte verödete Kulturstadt, wie ihr Vater sagte, und deswegen war er mit seiner Frau und seinem bis dahin einzigen Kind, einem Sohn, nach Berlin gezogen, Ostberlin. Kurz darauf hatte er dort gesehen, wie die Mauer in den freien Himmel gezogen wurde, das war 1961. Der Chirurg Günther Hoffmann hatte sie von den großen Fenstern des Krankenhauses gesehen, das nun im Schatten der Mauer stand.
    Im Jahr darauf hatten sie rübergemacht, versteckt im Fahrgestell von zwei VW-Käfern. Erst seine Frau und sein Sohn, so war es arrangiert. Günther Hoffmann kam hinterher, es war gefährlich, aber sie hatten es geschafft.
    Er versuchte in Westberlin Fuß zu fassen, hatte jedoch das Gefühl, die Stadt weise ihn ab mit ihren grellen westlichen Neonlichtern. Das war nicht sein Land. Das waren nicht seine Landsleute. Er war nicht einmal der Vetter vom Lande. Im Licht der Reklameschilder begann sogar das finstere Leipzig in seiner Erinnerung zu glühen.
    Doktor Hoffmann fühlte sich wie ein Fremder in seinen beiden Heimatländern, und er zog die Konsequenz daraus. Er sprach wieder mit seiner Frau und seinem Sohn, und sie reisten über das Meer nach Norden.
    Er strich das zweite N in seinem Nachnamen und wurde Hoffman. Das hielt er für eine weitere Konsequenz. Eine Wende in seinem Leben.
    Er fand Arbeit im Sahlgrenska-Krankenhaus in Göteborg und kam zur Ruhe. 1967 wurde Tochter Angela geboren, im Sommer.
    »Bekannt als the Summer of Love«, hatte Angela einmal zu Anfang gesagt und dem Free-Jazz-Fan Winter erklärt, was sich im Sommer 1967 im Haight Ashbury District von San Francisco abgespielt hatte, die Blumen, das irrlichternde Schweben über allem, das etwas Besonderes gewesen war, die Musik: Grateful Dead, Jefferson Airplane, Peanut Butter Conspiracy. Sie hatte Platten von damals besorgt, schließlich war es ihr Jahr. Erik hatte über Airplane gelacht, aber den Zwillingsgitarren in Quicksilver Messenger Service auf ihrer Liveplatte »Happy Trails« mit einem gewissen Interesse gelauscht. »Diese Jungs hätten was in der Jazzszene werden können«, hatte er gesagt, »die können ja spielen.« Sie hatte einmal »Eight Miles High« von den Byrds aufgelegt, und Erik war während Roger McGuinns Intro aus dem Sessel aufgesprungen. »Das ist ja Coltrane!« Später hatte sie festgestellt, dass er Recht hatte. In einem Interview hatte sie gelesen, dass McGuinn gesagt hatte, er habe gerade bei diesem Gitarrensolo nach John Coltranes atonalem Tenorsaxophon gesucht. Der Junge konnte spielen.
    Sie stand auf und knipste die Stehlampe an der hinteren Wand an. Die Lampe gab ein warmes Licht.
    Bald würde er Steve Macdonald anrufen. Aber erst musste er mit Angela sprechen.
    »Ich hatte heute Besuch aus der Vergangenheit«, sagte er.
    »Das klingt schicksalsträchtig«, erwiderte sie.
    »Eine alte Freundin.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das hören will«, sagte sie. »Mit der Betonung auf alt«, sagte er. »Und was wollte sie?« Er erzählte es ihr.
    »So viele Tage ist er ja noch nicht verschwunden«, sagte Angela. »Aber ich würde mir auch Sorgen machen.«
    »Mhm.«
    »Kannst du da irgendetwas unternehmen?«, fragte sie.
    »Wir können eine Vermisstenmeldung rausgeben, international. Interpol, wie üblich.«
    »Und werdet ihr das tun?«
    »Sie will noch einen Tag warten.«
    »Sie? Hat >sie< auch einen Namen?«
    »Johanna.«
    Angela schwieg. Er sah, dass sie nachdachte. Er war nicht sicher, was sie dachte.
    »Johanna Osvald«, sagte er.
    »Ja, ja.«
    Sie stand auf und brachte ihre Tasse in die Küche, ohne ein Wort zu sagen.
    Er folgte ihr. Sie stand an der Spüle und sah aus, als wüsste sie nicht, warum sie dort stand.
    »Ich hab sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen«, sagte er.
    »Wie bedauerlich«, sagte sie.
    »Angela!«
    Sie ließ die Kaffeetasse los. Die Tasse fiel, schlug gegen den Stahl, blieb aber ganz und rutschte

Weitere Kostenlose Bücher