Segeln im Sonnenwind
erledigte die Hausarbeit für eine zehnköpfige Familie, wobei ich viel Unterstützung durch meine vier Ältesten erfuhr und ein wenig sogar durch die achtjährige Marie. Ich ließ keine Versammlung des Roten Kreuzes aus, auf der Verbandsmaterial gewickelt wurde. Ich achtete darauf, daß meine Familie alle fleischlosen, weizenlosen und süßigkeitenfreien Tage und andere Sparmaßnahmen einhielt, die Mr. Herbert Hoover anordnete – und lernte derweil, Süßigkeiten und Plätzchen und Kuchen mit Zuckerhirsensirup und Kornsirup und Honig (alles unrationiert) zu machen anstatt mit Zucker (rationiert), da Corporal Bronsons Kameraden anscheinend fähig waren, ganze Wagenladungen von solchem Zeug zu verputzen.
Wenig später löste Carol mich bei der Aufgabe ab, müde Beine munter zu machen; sie betrachtete Corporal Bronson als »ihren Soldaten«. Wir alle schrieben ihm abwechselnd – und er antwortete stets jedem, besonders ausführlich jedoch Vater.
Mit Unterstützung der Kirchen kam es zu einer Bewegung, in deren Rahmen Familien alleinstehende Soldaten »adoptierten«. Carol wollte, daß wir Corporal Bronson adoptierten – was wir dann auch taten, nachdem Brian brieflich sein Einverständnis gegeben hatte.
Ich schrieb meinem Gatten täglich. Ich fing jede Menge Briefe an und zerriß sie wieder, wenn ich darin schlechte Nachrichten oder eine Andeutung von Selbstmitleid entdeckte – was mir häufig unterlief, bis ich es endlich lernte, richtige Lucastabriefe zu schreiben, die geeignet waren, die Moral eines Kriegers zu steigern, statt ihn niederzudrücken.
In der ersten Zeit nach unserem Kriegseintritt war Brian nicht weit weg – in Camp Funston, unmittelbar bei Manhattan, Kansas, gelegen, circa hundert Meilen westlich von Kansas City. Nachdem er drei Monate lang überhaupt nicht nach Hause gekommen war, machte er es sich zur Gewohnheit, etwa einmal im Monat für ein kurzes Wochenende zu erscheinen – jeweils von Samstag-nachmittag bis Sonntagabend –, falls er eine Mitfahrgelegenheit bei einem anderen Offizier fand. Es war eine akzeptable Distanz für einen Vierundvierzig-Stunden-Urlaub (von Samstagmittag bis Montag früh um acht), wenn man das Auto nahm, aber nicht, wenn man mit dem Zug fuhr.
Damals waren Züge in der Regel schneller als Autos, da man nur so wenige befestigte Straßen vorfand – und in Kansas überhaupt keine, soweit ich mich erinnern kann. Es gab eine direkte Zugverbindung, die Union Pacific. Auf allen Strecken hatten Truppentransporte jedoch Vorrang. Auf der Prioritätsliste an zweiter Stelle lagen Güterzüge Richtung Osten, an dritter Stelle alle übrigen Güterzüge. Personenzüge konnten die Strecken benutzen, wenn sie sonst niemand brauchte – die Prioritäten des Krieges, an die sich Mr. McAdoo strikt hielt. Daher waren Brians Heimfahrten so selten – sie hingen von den Dienstplänen anderer Offiziere ab, die ihn im Wagen mitnehmen konnten.
Manchmal fragte ich mich, ob Brian vielleicht inzwischen den Verkauf von »El Reo Grande« bedauerte. Ich sagte jedoch nichts, und er ebenfalls nicht. Nur keine übertriebenen Ansprüche, Maureen! Es ist Krieg, und dein Mann ist Soldat. Sei froh, daß er gelegentlich nach Hause kommen kann und (noch) nicht auf ihn geschossen wird.
Das Blutbad in Europa verschlimmerte sich in einem fort. Im März 1917 wurde der Zar gestürzt. Im November desselben Jahres beseitigten die kommunistischen Bolschewiken die Regierung Präsident Kerenskys, um gleich anschließend vor den Deutschen zu kapitulieren.
Damit saßen wir schön in der Patsche. Die deutschen Veteranen der Ostfront marschierten gleich divisionsweise nach Westen, während wir noch kaum Truppen in Frankreich gelandet hatten. Die Alliierten steckten in ernsten Schwierigkeiten.
Ich wußte nichts davon. Meinen Kindern ging es sicher nicht anders. Ich vermute, daß ihr Vater ihrer Meinung nach mindestens zwei deutsche Divisionen aufwog.
Im Mai 1918 konnte ich meinem Gatten mitteilen, daß bei seinem letzten Wochenendbesuch ›die Kasse geklingelt hatte‹; ich war zwei Wochen überfällig. Ja, ich weiß, daß das bei vielen Frauen noch kein sicheres Zeichen ist – aber bei Maureen ist es eins! Ich war so begeistert, daß ich an diesem Tag keine Zeitung zur Hand nahm und es einfach genoß, ich selbst zu sein.
Brian fuhr, da er seine Privatsphäre geschützt wissen wollte, nach Manhattan, um mich von dort aus anzurufen. »Na, ist da mein fruchtbares kleines Hühnchen?«
»Nicht so laut,
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