Segeln im Sonnenwind
nackt vor ihm stand, bis er mich ansah und rasch den Blick abwandte. »Sag Nancy bitte, sie soll ihm etwas anbieten. Ist sie noch auf?«
»Alle sind noch auf. Steig in die Wanne, Liebes. Wir warten auf dich.«
Fünfzehn Minuten später ging ich die Treppe hinunter. Ich glaube, meine Augen waren rot, aber ich lächelte und stank nicht mehr und trug meine besten Sonntagskleider. Ich eilte auf Mr. Bronson zu und reichte ihm die Hand. »Mr. Bronson, wir sind alle so stolz auf Sie!«
Ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten der nächsten ein oder zwei Stunden. Ich saß im goldenen Nebel eines bittersüßen Glücks da. Mein Land war zwar im Krieg und mein Gatte in den Kampf gezogen, aber wenigstens begriff ich jetzt den tieferen Sinn von »besser tot als ehrlos«. Ich wußte jetzt, warum die Frauen im alten Rom gesagt hatten: »Mit euren Schilden oder darauf liegend!« Die Stunden, in denen ich geglaubt hatte, mein geliebter Theodore wäre nicht, wofür ich ihn gehalten hatte, sondern ein Feigling, der sich weigerte, sein Land zu verteidigen – diese Stunden waren die längsten und scheußlichsten meines Lebens gewesen.
Ich hatte im Grunde nicht geglaubt, daß es solche untermenschlichen Kreaturen tatsächlich gab. Ich hatte nie eine kennengelernt. Als sich dann herausstellte, daß alles nur ein böser Traum gewesen war, Resultat mißverstandener Äußerungen… Irgendwo habe ich mal gelesen, Freude wäre die Erleichterung nach dem Schmerz. Die Psychologen sind zum größten Teil ein törichter Haufen, aber an jenem Abend erlebte ich diese Art ekstatischer Freude. Sogar die Flammen meiner Libido wurden abgedeckt, und für den Moment machte ich mir keine Sorgen um Briney, so beglückt war ich über die Entdeckung, daß Theodore wirklich das war, was ein Mann auch sein muß, um geliebt zu werden – ein Held und ein Krieger.
Meine großen Mädchen taten ihr Bestes, um ihn richtig vollzustopfen, und Carol packte ein Sandwich für ihn ein, damit er es mitnehmen konnte. Vater floß über vor guten Ratschlägen von Mann zu Mann, vom alten Soldaten zum jungen Rekruten; meine großen Jungs rannten sich gegenseitig um in dem Bemühen, irgend etwas für Theodore zu tun, und sogar Woodrow benahm sich fast vorbildlich. Zum Schluß stellten sich alle an, um unserem Helden einen Abschiedskuß zu geben, sogar Brian junior, der das Küssen eigentlich aufgegeben hatte, von einem gelegentlichen Hauch auf die Wange seiner Mutter abgesehen.
Dann gingen alle außer Vater ins Bett – und ich war nun an der Reihe.
Ich hatte schon immer eine so robuste Gesundheit gehabt, daß der Gewinn von Präsentausgaben des Neuen Testaments für regelmäßige Teilnahme an der Sonntagsschule nie ein Problem für mich gewesen war. Und war es nicht hübsch, daß ich zwei Ausgaben zur Hand hatte, als ich sie brauchte? Ich mußte mir nicht mal eine neue Widmung ausdenken; was ich schon für meinen Gatten geschrieben hatte, konnte jede Lucasta für jeden Krieger gebrauchen:
Für den Schützen Theodore Bronson:
Sei dir selbst und deinem Land treu.
Maureen J. Smith,
6. April 1917.
Ich reichte ihm das Buch, sah zu, wie er die Widmung las, und wandte mich an Vater: »Vater?« Er wußte genau, was ich wollte, nämlich einen Augenblick der Diskretion.
»Nein.« (Verdammt sollte er sein! Glaubte er denn wirklich, daß ich Theodore an Ort und Stelle auf den Teppich zerren würde? Während die Kinder noch wach und nur eine Treppe höher waren?)
(Na ja, vielleicht hätte ich es wirklich getan.) »Dann dreh dich wenigstens um!«
Ich legte die Arme um Theodore und küßte ihn fest, aber keusch. Doch dann wußte ich auf einmal, daß ein keuscher Kuß nicht reichte, um einen Krieger zu verabschieden. Ich entspannte mich ganz und öffnete die Lippen. Unsere Zungen begegneten sich, und ich versprach ihm wortlos, daß alles, was ich zu bieten hatte, ihm gehörte. »Theodore – paß auf dich auf! Komm zu mir zurück!«
KAPITEL DREIZEHN
DA DRÜBEN!«
Nachdem schon das Sanitätskorps der Armee es abgelehnt hatte, Vater wieder in den aktiven Dienst zu übernehmen, wurde ihm auch die Aufnahme als Schütze in der Infanterie verweigert – er beging den Fehler, seine Entlassungspapiere zu zeigen, auf denen sein Geburtsdatum 1852 stand. Er versuchte es dann in St. Louis mit einem gefälschten Datum von 1872 erneut, ließ sich jedoch irgendwie eine Falle stellen. Endlich nahm ihn das Siebte Missouriregiment an, eine Infanteriemiliz, die als Ersatz für Kansas Citys
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