Segeln im Sonnenwind
Präsident und ein Präsidentschaftskandidat wurden ermordet; ein Präsident wurde bei einem Attentat schwer verwundet, ein Attentat, das ein Psychotiker verübte, der als solcher aktenkundig war und sich trotzdem frei bewegen durfte; des weiteren wurde ein nationaler politischer Führer der Schwarzen ermordet; zahllose weitere Mordversuche hatten Erfolg, blieben erfolglos oder waren teilweise erfolgreich.
d) Es wurden so viele Gelegenheitsmorde auf öffent-lichen Straßen, in öffentlichen Parks und öffentlichen Verkehrsmitteln verübt, daß die meisten gesetzestreuen Bürger, vor allem die älteren Leute, nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus gingen.
e) Lehrer an öffentlichen Schulen und Professoren an staatlichen Universitäten lehrten, der Patriotismus wäre ein überholtes Konzept, die Ehe wäre ein überholtes Konzept, die Sünde wäre ein überholtes Konzept, die Höflichkeit wäre ein überholtes Konzept – und die Vereinigten Staaten selbst wären ein überholtes Konzept.
f) Man traf Schullehrer an, die nicht grammatisch korrekt sprechen oder schreiben, die nicht buchstabieren und nicht rechnen konnten.
g) Der wichtigste Agrarstaat der Nation erzielte seine größten Gewinne mit einer Pflanze, aus der wichtige, ungesetzliche Drogen gewonnen wurden.
h) Kokain und Heroin wurden als »Freizeitdrogen« bezeichnet, schwerer Diebstahl als »Spritztour«, Banden-vandalismus als »Mist bauen«, Einbruch als »was mitgehen lassen« und brutale Übergriffe von Banden als »Straßenraub«. Die Reaktion auf alle diese Verbrechen lautete »Jungs sind nun mal Jungs«, also tadelte man sie und entließ sie auf Bewährung, ruinierte aber nicht ihr Leben, indem man sie als die Verbrecher behandelte, die sie eigentlich waren.
i) Millionen von Frauen fanden es lohnender, unehe-liche Kinder zu bekommen, als zu heiraten oder arbeiten zu gehen.
Ich verstehe Zeitlinie drei ›Neil Armstrong‹ einfach nicht, also zitiere ich lieber Jubal Harshaw, der sie durchlebt hat. »Mama Maureen«, sagte er einmal zu mir, »das Amerika meiner Zeitlinie gibt ein Musterbeispiel dafür ab, was aus einer Demokratie werden kann, was im Verlauf aller Historien schließlich aus sämtlichen echten Demokratien wurde. Eine echte Demokratie, in der alle Erwachsenen das Wahlrecht genießen und alle Stimmen gleichwertig sind, verfügt über keine inneren Korrekturmechanismen. Sie hängt einzig und allein von der Weisheit und der Selbst-beherrschung ihrer Bürger ab, der wiederum Torheit und mangelnde Selbstbeherrschung anderer ihrer Bürger entgegenstehen.
Eine Demokratie beruht auf der Annahme, jeder Bürger würde stets im Sinne der Allgemeinheit wählen, im Sinne der Sicherheit und Wohlfahrt aller. In Wirklichkeit gibt jedoch jeder seine Stimme für das ab, was er für sein persönliches Interesse hält. Was die Mehrheit angeht, liest sich das wie ›Brot und Spiele‹.
›Brot und Spiele‹ sind das Krebsgeschwür der Demokratie, die tödliche Krankheit, gegen die es kein Heilmittel gibt. Zu Anfang funktionieren Demokratien oft ganz wundervoll. Wird jedoch das Wahlrecht einfach jedem zugestanden, egal, ob er produktiv oder ein Parasit ist, ist der Untergang des Systems eingeläutet. Wenn der Pöbel erst mal spitz hat, daß er sich per Wahlentscheid grenzenlos Brot und Spiele besorgen kann und die produktiven Mitglieder des Staatswesen ihn nicht mehr daran hindern können, dann blutet die Gesellschaft aus oder wird so schwach, daß sie sich einem Invasor unterwerfen muß. Die Barbaren rücken in Rom ein.«
Jubal zuckte die Achseln und machte ein trauriges Gesicht. »Meine Welt war wunderschön – bis die Parasiten an die Macht kamen.«
Jubal Harshaw zufolge geht dem Zusammenbruch einer Kultur als unmißverständliches Symptom ein Niedergang der guten Sitten voraus, der Höflichkeit im gesellschaftlichen Umgang, des Respektes für die Rechte anderer Menschen. »Politische Philosophen haben seit Konfuzius immer wieder darauf hingewiesen. Die ersten Anzeichen dieses tödlichen Symptoms sind unter Umständen schwer zu entdecken. Spielt es wirklich eine Rolle, wenn mal ein Ehrentitel weggelassen wird? Oder wenn junge Leute ältere unaufgefordert mit dem Vornamen anreden? Ein solcher Niedergang protokollarischer Formen ist vielleicht schwer einzuschätzen. Ein unmißverständliches Anzeichen für den beginnenden Verfall eines Systems gibt es jedoch: schmutzige öffentliche Waschräume.
In einer gesunden Gesellschaft wirken und
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