Segeln im Sonnenwind
von Ihnen D. D. Harriman?«
Chapman stand auf. »Richter, ich schlage eine Vertagung vor.«
»Setzen Sie sich, Arthur, und benehmen Sie sich! Captain, Sie sind sich doch über den schockierenden Charakter Ihrer Vorhersagen im klaren, nicht wahr?«
»Gewiß«, antwortete Theodore.
»Ich kann Ihren Worten nur deshalb mit Gleichmut zuhören, weil ich in meinem Leben schon einige einschneidende Veränderungen miterlebt habe. Sollte sich Ihre Vorhersage des Kriegsendes als richtig erweisen, werden wir wohl auch Ihre übrigen Prognosen ernst nehmen müssen. Haben Sie uns sonst noch etwas zu sagen?«
»Vielleicht zwei Dinge. Tätigen Sie nach Mitte 1929 keine knapp kalkulierten Einkäufe mehr. Und verkaufen Sie nichts, wenn eine fehlerhafte Einschätzung den möglichen Ruin bedeuten könnte.«
»Das ist jederzeit eine gute Empfehlung. Danke, Sir.«
Carol und die übrigen Kinder und ich gaben den beiden Soldaten am Sonntag, dem 13. Juni, jeder einen Abschiedskuß. Sobald Captain Bozells Wagen abgefahren war, gingen wir ins Haus, um in aller Stille jeweils ein paar Tränen zu vergießen.
Den ganzen Sommer über trafen immer schlechtere Nachrichten ein.
Erst im Spätherbst gewannen wir den Eindruck, gegenüber den Mittelmächten Boden zu gewinnen. Der Kaiser dankte ab und floh nach Holland, und in diesem Augenblick wußten wir, daß wir gewonnen hatten. Der vorläufige Waffenstillstand kam, und nur die Feststellung, daß noch nicht der 11. November war, überschattete meine Freude.
Dann wurde schließlich doch am 11. November der endgültige Waffenstillstand vereinbart, und alle Glocken, Pfeifen, Sirenen und Hörner lärmten auf einmal los.
Nicht jedoch in unserer Familie. Am Donnerstag brachte George die Kansas City Post mit nach Hause. Auf der Verlustliste fanden wir den Eintrag: ›VERMISST – Bronson, Theo, Corporal, K. C, Missouri‹.
KAPITEL FÜNFZEHN
DIE WILDEN ZWANZIGER, DIE KÄRGLICHEN DREISSIGER
Zwischen meiner Rettung 1982 und dem Start der Zeitmission, die mich auf diesem Planeten in die gegenwärtige Klemme brachte, vergingen auf meiner persönlichen Zeitlinie über fünfzig Jahre, von denen ich circa zehn auf das Studium der vergleichenden Geschichtswissenschaft verwandte – besonders die Geschichte der Zeitlinien, die der Kreis des Ouroboros zu schützen versucht. Alle davon weisen anscheinend eine gemeinsame Abstammungslinie auf, die von 1900 AD bis möglicherweise etwa 1940 reicht.
Dieses Bündel von Universen enthält auch mein eigenes Ursprungsuniversum (Zeitlinie zwei, Chiffre Leslie LeCroix), während die weit zahlreicheren, wirklich exotischen Zeitlinien nicht dazugehören – Universen, in denen Kolumbus nicht nach Westindien segelte oder die Wikingersiedlungen erhalten blieben und aus Amerika »Großvinland« wurde; solche, in denen das Moskowiterreich an der Westküste mit dem Spanischen Imperium an der Ostküste zusammenprallte; Welten, in denen Königin Elizabeth im Exil starb und andere, in denen Kolumbus ein Amerika entdeckte, das bereits von Manchu-Kaisern beherrscht wurde. Man findet sogar Welten mit so exotischen Geschichtsabläufen, daß man kaum noch eine gemeinsame Abstammungslinie mit irgendwas erkennen kann, was uns vertraut ist.
Ich bin mir fast sicher, daß ich auf eine der exotischen Linien geraten bin, jedoch auf eine von einer bislang ganz unbekannten Sorte.
Ich verbrachte auch nicht meine ganze Zeit mit dem Studium der Geschichte. Ich arbeitete für unseren Lebensunterhalt, zunächst als Schwesternhelferin, dann als Schwester, dann als klinische Therapeutin, schließlich als Verjüngungsstudentin (alles neben der Universität), bevor ich dann zum Zeitkorps wechselte.
Es war jedoch das Geschichtsstudium, das mich auf die Idee mit einer Zeitkarriere brachte.
Etliche Zeitlinien, die der »Zivilisation« (wie wir uns stets selbst zu bezeichnen pflegen) bekannt sind, scheinen sich um 1940 abgespalten zu haben. Einer der Wendepunkte, die solche Abspaltungen markieren, war der Demokratische Wahlparteitag von 1940, auf dem Mr. Franklin Delano Roosevelt für seine dritte Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten nominiert wurde – oder eben nicht, dann entweder gewählt wurde – oder eben nicht – und schließlich während des Zweiten Weltkrieges entweder als Präsident amtierte oder nicht.
Auf Zeitlinie eins ›John Carter‹ nominierten die Demokraten Paul McNutt, aber gewählt wurde schließlich der republikanische Senator Robert Taft.
Auf dem
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