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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Heinlein
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riechen öffentliche Waschräume und Toiletten so sauber und frisch wie private Badezimmer. In einer kranken Gesellschaft…« Jubal brach ab und ließ deutlich Abscheu erkennen.
    Er brauchte das Thema auch nicht weiter auszuführen. Ich hatte so was auf der eigenen Zeitlinie ebenfalls erlebt. Zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bis hinein in die dreißiger Jahre behandelten die Leute auf allen gesellschaftlichen Schichten einander mit gewohnheits-mäßiger Höflichkeit, und man hielt es für selbst-verständlich, daß jemand, der eine öffentliche Toilette benutzte, sie so hinterließ, wie er sie vorgefunden hatte. Wenn ich mich recht entsinne, verfielen die Sitten auf diesem Gebiet wie auch auf anderen während des Zweiten Weltkrieges. In den Sechzigern und Siebzigern galten Unhöflichkeiten jeder Art bereits als selbstverständlich, und von dieser Zeit an benutzte ich nie mehr eine öffentliche Toilette, wenn ich es irgendwie vermeiden konnte.
    Eine beleidigende Sprache, schlechte Manieren und schmutzige Toiletten scheinen alle Hand in Hand zu gehen.
    Das Amerika meiner eigenen Zeitlinie litt ebenfalls am Brot-und-Spiele-Geschwür, entdeckte dann jedoch eine noch schnellere Methode, um Selbstmord zu begehen. Ich möchte mich des Unterschiedes nicht rühmen, wahrlich nicht, denn auf Zeitlinie zwei brachten die Amerikaner noch etwas Dümmeres zustande als Brot und Spiele – sie wählten eine religiöse Diktatur an die Macht!
    Es geschah nach 1982, also erlebte ich es selbst nicht mehr mit, und ich bin nur zu dankbar dafür! Als ich schon die Hundert überschritten hatte, war Nehemiah Scudder noch ein kleiner Junge.
    In der amerikanischen Kultur war religiöse Hysterie schon immer angelegt gewesen, und ich wußte darüber Bescheid, da Vater es mir frühzeitig unter die Nase gerieben hatte. Wie er mir zeigte, wurde die Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten nicht durch den Ersten Verfassungszusatz oder durch Toleranz gewährleistet, sondern durch ein Patt zwischen rivalisierenden Sekten, von denen jede mit großer Intoleranz darauf beharrte, den »einzig wahren Glauben« zu vertreten. Jede dieser Sekten bildete jedoch für sich genommen eine Minderheit, die der Religionsfreiheit Lippenbekenntnisse leistete, um ihren »einzig wahren Glauben« vor Verfolgung durch die anderen »wahren Glauben« zu schützen.
    (Natürlich war die Jagd auf Juden ständig freigegeben, manchmal auch auf Katholiken und fast stets auf Mormonen und Muslims und Buddhisten und andere Heiden. Der Erste Verfassungszusatz galt selbst-verständlich nicht dem Schutz solcher Blasphemien! Das wäre ja noch schöner gewesen!)
    Man gewinnt Wahlen nicht dadurch, daß man die Stimmen der Gegenseite gewinnt, sondern indem man das eigene Wählerpotential mobilisiert. Genau das leistete Scudders Organisation. Bei meinem Geschichtsstudium in Boondock fand ich heraus, daß an der Wahl 2012 ganze 63 Prozent der registrierten Wähler teilnahmen. Dabei handelte es sich nicht mal um die Hälfte der Personen, die sich hätten registrieren lassen können. Die Wahre Amerikanische Partei (Nehemiah Scudder) gewann siebenundzwanzig Prozent der Stimmen im Volk und damit einundachtzig Prozent der Wahlmänner.
    Im Jahr 2016 fand keine Wahl mehr statt.
    Die wilden Zwanziger, die stürmischen Jahre, die verlorene Generation – Backfische, Gangster, abgesägte Schrotflinten und Alkoholschmuggel und Bier mit Schuß. Hupmobiles und Stutz Bearcats und Flugschauen. Ein kurzer Hüpfer für fünf Dollar. Lindbergh und die Spirit of St. Louis. Rocksäume, die in schwindelerregende Höhen kletterten, bis man Mitte des Jahrzehnts die bloßen Knie sehen konnte. Der Prince of Wales Glide und der Finalé Hop und der Charleston. Ruth Etting und Will Rogers und Ziegfeld's Follies. Man kann manch Schlechtes über die Zwanziger sagen, aber alles in allem waren es für die meisten Leute gute Jahre – und Jahre, die niemals langweilig waren.
    Ich war weiterhin mit hausfraulichen Obliegenheiten beschäftigt, die für Außenstehende kaum von Interesse sind. Ich bekam Theodore Ira 1919, Margaret 1922, Arthur Roy 1924, Alice Virginia 1927 und Doris Jean 1930 – und sie alle erlebten die üblichen Triumphe und Niederlagen der Kindheit. Wie schön, daß niemand sich ihre Bilder anschauen und mir zuhören muß, wie ich alles wiederhole, was sie an süßen Sachen gesagt haben!
    Im Februar 1929 verkauften wir das Haus am Benton Boulevard und mieteten (mit der Option auf einen Kauf) ein

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