Segeln im Sonnenwind
Briney, helfen mir immer zwei oder drei große Mädchen, und wir haben auch niemals ein Dutzend Gäste auf einmal. Unsere weiblichen Gäste bieten in der Regel ihre Hilfe an. Das ist nicht vergleichbar mit diesem Pöbel hier. Es sind weder Freunde noch Verwandte; die meisten kenne ich überhaupt nicht, und sie alle tun so, als leiteten wir eine Pension. Immerhin sagen die meisten wenigstens danke und bitte, abgesehen von Mr. Briggs. Briney, im Grunde haben er und du die gleiche Einstellung gegenüber Frauen; ihr haltet uns für Dienerinnen.«
»Das sehe ich nicht so. Ich halte das für unfair.«
»So? Dann frage ich dich noch mal: Wenn du nur großzügig gegenüber einem Gast sein wolltest, warum hast du dann nicht deine eigenen Dienste angeboten? Du kennst dich mit dem Telefon und den gelben Seiten genausogut aus wie ich. Für das Hinausgeben von Wäsche sind keinerlei speziell weibliche Fertigkeiten erforderlich. Wie bist du nur auf die Idee gekommen, angesichts der bereits von mir zum Ausdruck gebrachten Ablehnung meine Dienste anzubieten?«
»Ich hielt es für das Richtige.«
»Richtig für wen? Für deine Frau? Oder für den Geschäftspartner, der sich ihr gegenüber rüpelhaft verhalten hat?«
»Äh – beenden wir das Thema lieber.«
Dieser Zwischenfall war nicht untypisch, außer in der Hinsicht, daß ich dieses eine Mal die konventionelle, untergeordnete Rolle der Frau nicht akzeptierte. Die Änderung von Gesetzen hat keinerlei Einfluß auf eine solche Einstellung, die man schon von frühester Kindheit an in der alltäglichen Praxis eingebleut bekommt.
Ein anderes Beispiel ist das Kaffeekochen in einer gemischten Runde von Geschäftsleuten. Als Schmiermittel für den Ideenaustausch ist Kaffee eine gute Sache, und die Mittel zu seiner Aufbereitung sind in der Regel zur Hand.
Wer macht nun den Kaffee? Es könnte durchaus ein Mann sein, aber man sollte lieber nicht darauf wetten! Die Chancen stehen zehn zu eins.
Gehen wir mal dreißig Jahre weiter, vom Rüpel Rufus Briggs mit dem gestärkten Hemdkragen ins Jahr 1970, ein Zeitpunkt, zu dem die meisten rechtlichen Einschränkungen für Frauen bereits abgeschafft waren. Das Ereignis ist eine Aufsichtsratssitzung von Skyblast Freight, einem Unternehmen von D. D. Harriman. Ich war Direktorin, und es handelte sich nicht um meine erste Sitzung. Ich kannte sämtliche anderen Direktoren vom Sehen her, und entweder kannten sie mich, oder sie hatten schon mehrmals zumindest die Gelegenheit gehabt, mich kennenzulernen.
Zugegeben, ich sah jünger aus als bei unserer letzten Zusammenkunft. Die Hängebrüste waren wieder in Form gebracht und das Gesicht gestrafft worden. Anschließend hatte ich auf einer Gesundheitsfarm in Arizona fünfzehn Pfund abgespeckt und meine Kondition auf Vordermann gebracht. In Vegas war ich in ultraschicke, extrem weibliche neue Kleider geschlüpft, etwas ganz anderes als die typischen Hosenanzüge der meisten weiblichen Geschäftsleute. Ich war mir behaglich der Tatsache bewußt, daß ich ganz und gar nicht nach den achtzig Jahren aussah, die ich schon auf dem Buckel hatte, ja, nicht mal nach den achtundfünfzig, die ich davon zugab. Ich denke, dem Aussehen nach schätzte man mich eher auf vierzig.
Ich wartete in der Vorhalle des Konferenzraumes und hatte vor, erst hineinzugehen, wenn ich gerufen wurde. Konferenzen sind so langweilig… Man kann sich allerdings darauf verlassen, daß genau dann eine Krise eintritt, wenn man sie zu vermeiden versucht.
Gerade als die Lichter vor der Tür zu blinken begannen, kam ein Mann herangestürmt – Mr. Phineas Morgan, Leiter eines großen Minderheitsblocks. Er hielt schnurstracks auf die Lichter zu, zog sich im Gehen den Mantel aus und warf ihn mir zu. »Kümmern Sie sich darum!«
Ich wich seitlich aus, und der Mantel landete auf dem Boden. »Heh, Morgan!« Er hielt an und drehte sich um. Ich deutete auf den Fußboden. »Ihr Mantel.«
Er sah erst überrascht aus, dann erstaunt, wütend, zornig und rachsüchtig, alles innerhalb einer Sekunde. »Sie Miststück! Dafür werde ich Sie feuern lassen!«
»Nur zu.« Ich ging an ihm vorbei ins Konferenzzimmer, suchte mein Namensschild auf dem Tisch und setzte mich. Ein paar Sekunden später nahm er mir gegenüber Platz, und ich stellte fest, daß sein Gesicht auch noch zu anderen Regungen fähig war.
Phineas Morgan hatte nicht mit Absicht versucht, eine Vorstandskollegin als Dienerin zu mißbrauchen. Er hatte lediglich eine weibliche Gestalt erblickt
Weitere Kostenlose Bücher