Segeln im Sonnenwind
Leser bedenke nachstehende Fakten:
1. Libby wurde von den Toten erweckt und als Frau wiedergeboren.
2. Ich wurde über Jahrhunderte hinweg vor dem sicheren Tod gerettet (wenn ein Neunachser über eine Person von meiner Größe hinwegwalzt, werden die Überreste im allgemeinen aufgewischt).
3. Colonel Richard Campbell wurde zweimal vor dem sicheren Tod gerettet; man hat sogar die Geschichte im Interesse seines Seelenfriedens verändert, denn man brauchte ihn für die Rettung des Computers, der die Revolution auf Lunar auf Zeitlinie drei leitete.
4. Theodore wurde im Ersten Weltkrieg durch Maschinengewehrfeuer fast in zwei Hälften geschnitten und trotzdem gerettet und wiederhergestellt, ohne daß auch nur eine Narbe zurückblieb.
5. Mein Vater wurde wie Theodore im Einsatz vermißt. Der American Field Service meldete das erst viel später, und Einzelheiten wurden nie genannt.
6. In dem unter der Bezeichnung ›Schrödingers Katze‹ bekannt gewordenen Gedankenexperiment behaupten die Wissenschaftler (?) oder Philosophen oder Metaphysiker, die es ausgetüftelt haben, daß die Katze weder lebendig noch tot ist, sondern nur eine Wolke aus Wahrscheinlichkeiten, bis jemand die Schachtel, in der sie steckt, öffnet.
Ich glaube nicht daran. Ich denke, auch Pixel würde nicht daran glauben.
Lebt mein Vater nun noch, oder ist er tot?
Ich sprach mit Jubal darüber.
»Ich kann es dir nicht sagen, Mama Maureen«, antwortete er. »Wie sehr wünschst du dir, daß er noch lebt?«
»Mehr als alles in der Welt!«
»Genug, um alles dafür zu riskieren? Sogar dein eigenes Leben? Noch schlimmer, sogar eine Enttäuschung, das sichere Wissen, daß keine Hoffnung mehr besteht?«
Ich seufzte tief. »Ja, das alles.«
»Dann tritt dem Zeitkorps bei und laß dir zeigen, wie man so was macht. In ein paar Jahren – zehn bis zwanzig, schätze ich – wirst du in der Lage sein, dir eine intelligente Meinung zu bilden.«
»Zehn bis zwanzig Jahre!«
»Es könnte noch länger dauern, aber das Schöne an Zeitmanipulationen ist nun mal, daß man es nie eilig hat.«
Als ich Ishtar meinen Antrag auf unbefristeten Urlaub unterbreitete, fragte sie mich nicht nach dem Grund. »Mama, ich weiß schon länger, daß dich diese Arbeit nicht glücklich macht. Ich habe nur darauf gewartet, daß du von selbst darauf kommst.«
Sie küßte mich. »Vielleicht findest du im nächsten Jahrhundert heraus, daß unser Beruf deine wirkliche Berufung ist. Es gibt keinen Grund zur Eile. Bis dahin wünsche ich dir alles Gute.«
Im Verlauf von zwanzig Jahren meiner persönlichen Zeitlinie und von sieben Jahren Boondockzeit ging ich, wohin das Zeitkorps mich schickte, und gab brav alle entsprechenden Informationen weiter. Niemals ein Kampf-auftrag, im Gegensatz zu Gretchen, deren erstes Kind sowohl von mir als auch von meiner Mitehefrau Hazel/Gwen abstammt (Colonel Arnes ist mein Enkel durch Lazarus, und Gretchen ist Hazels Urenkelin). Major Gretchen ist eine echte Walküre, die angeblich sowohl mit als auch ohne Waffe den schnellen Tod bringt.
Kämpfe sind nichts für Maureen. Das Zeitkorps benötigt jedoch Leute für die verschiedensten Zwecke. Meine Sprachbegabung und meine historischen Interessen qualifizieren mich dafür, »das Land Kanaan zu erkunden« – oder das Japan der dreißiger Jahre – oder welches Land oder welcher Planet auch immer ausgeforscht werden muß. Auch mein einziges weiteres Talent erweist sich dabei manchmal als hilfreich.
Und so meldete ich mich nach zwanzig Jahren Praxis und einleitenden Nachforschungen zur Geschichte von Zeitlinie zwei, (zweite Phase des Permanenten Krieges) für ein Wochenende ab und erwarb eine Fahrkarte für einen Burroughs-Carter-Raumzeitbus, der auch New Liverpool im Jahr 1950 anlief, denn ich wollte die Geschichte des Krieges von 1939-45 aus etwas größerer Nähe studieren. Es waren Hildas Schwarzmarktgeschäfte, die mir zu diesem Ticket verhalfen. Eine ihrer Gesellschaften bietet Fahrten zu allen erforschten Zeitlinien und Planeten an, zu allen gewünschten Zeitpunkten, wenn man nur dafür zahlt.
Der Busfahrer hatte gerade verkündet: »Nächste Haltestelle: Zeitlinie zwei, 1950! Nehmen Sie alle Ihre Sachen mit!«, da gab es einen lauten Knall, machte der Bus einen Satz, sagte ein Reisebegleiter »Zum Notausstieg bitte hier entlang«, reichte mir jemand ein Baby, gab es viel Rauch und sah ich einen Mann mit blutigem Stumpf anstelle seines rechten Armes.
Ich schätze, ich wurde
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