Segeln im Sonnenwind
und der Kaiser und Hitler und Geronimo und Villa und Sandino und Mao Tse-tung und Jefferson Davis – angeprangert werden? Warum sind es immer wir?
Ich bin mir sehr wohl der Behauptung der Revisionisten bewußt, William Randolph Hearst hätte den Spanisch-Amerikanischen Krieg angezettelt, um die Auflagen seiner Zeitungen zu steigern. Ich weiß auch, daß etliche Gelehrte und Experten später behaupteten, die USS Maine wäre im Hafen von Havanna von gesichtslosen Schurken in die Luft gejagt worden (zusammen mit 226 Amerikanern), deren Absicht allein darin bestand, Spanien ins Unrecht zu setzen und das amerikanische Volk für eine Kriegserklärung gegen Spanien zu begeistern.
Der geneigte Leser sollte sorgfältig auf meine Formulierung achten. Ich sagte, mir wäre bewußt, daß solche Dinge behauptet werden. Ich sagte nicht, daß sie zutreffen.
Es ist unbestreitbar, daß sich die Vereinigten Staaten der spanischen Regierung gegenüber rüde benommen haben, was die Unterdrückung des kubanischen Volkes anging. Es trifft ebenfalls zu, daß William Randolph Hearst seine Zeitungen benutzte, um der spanischen Regierung alles mögliche an den Kopf zu werfen. Hearst war jedoch nicht die Vereinigten Staaten und hatte weder Kanonen noch Schiffe noch Befehlsgewalt. Was er hatte, war eine laute Stimme und keinerlei Respekt vor Tyrannen. Tyrannen hassen solche Leute!
Irgendwie haben diese masochistischen Revisionisten den Krieg von 1898 als Fall von imperialistischer Aggression durch die Vereinigten Staaten dargestellt. Wie ein imperialistischer Krieg zur Befreiung Kubas und der Philippinen führen konnte, wurde nie deutlich gemacht. Der Revisionismus beruht allerdings stets auf der Annahme, daß die Vereinigten Staaten die Schurken sind. Sobald ein revisionistischer Historiker diese Behauptung nachweist (meist durch Zirkelschluß), erhält er seinen Doktortitel und ist bereits auf dem besten Weg zum Friedensnobelpreis.
Im April 1898 gab es für uns unbedarfte Leute vom Lande einfach nur ein paar schlichte Tatsachen: Unser Schlachtschiff Maine war zerstört worden, und viele Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Spanien hatte uns den Krieg erklärt. Der Präsident hatte um Freiwillige gebeten.
Am Tag darauf, Montag, dem 25. April, erfolgte der Aufruf des Präsidenten an die Staatsmilizen, unsere fast nicht existierende Armee durch 125.000 Freiwillige zu vergrößern. Am Morgen dieses Tages war Tom wie gewöhnlich hinüber nach Butler zur höheren Schule geritten. Die Nachricht erreichte ihn dort, und er kam gegen Mittag auf seinem schweißgetränkten Rotschimmel Beau Brummel zurückgetrabt. Er bat Frank, Beau für ihn abzureiben, eilte ins Haus und verschwand in Vaters Sprechzimmer.
Sie kamen nach etwa zehn Minuten daraus zum Vorschein. Vater sagte zu Mutter: »Madam, unser Sohn Tom beabsichtigt, in die Armee dieses Landes einzutreten. Wir beide brechen sofort nach Springfield auf. Ich muß ihn begleiten, um zu beeiden, daß er bereits achtzehn ist und die Zustimmung seiner Eltern genießt.«
»Aber er ist noch gar nicht achtzehn!«
»Darum muß ich ja auch mitkommen. Wo steckt Frank? Er soll Loafer anspannen.«
»Ich spanne ihn an, Vater«, bot ich an. »Frank ist gerade zur Schule und hatte es verdammt eilig. Er war ein bißchen spät dran.« (Frank hatte sich verspätet, weil er Beau versorgt hatte, aber das brauchte nicht zur Sprache gebracht zu werden.
Vater machte ein besorgtes Gesicht. »Loafer kennt mich, Sir«, beharrte ich. »Er würde mir nie was tun!«
Als ich wieder ins Haus kam, sah ich Vater am neuen Telefon stehen, in dem Flur, den wir als Wartezimmer für die Patienten benutzten. Vater sagte: »Ja… Ja, ich verstehe… Viel Glück, Sir, und Gottes Hilfe. Ich werde es ihr ausrichten. Auf Wiederhören!« Er nahm den Hörer vom Ohr und starrte ihn an, um ihn schließlich wieder einzuhängen.
Er sah mich an. »Das war für dich, Maureen.«
»Für mich?« Ich hatte noch nie einen Telefonanruf bekommen.
»Ja. Es war dein junger Mann, Brian Smith. Er bittet dich um Vergebung, aber er kann nächsten Sonntag nicht kommen. Er steht im Begriff, den Zug nach St. Louis zu nehmen, von wo aus er nach Cincinnati zurückkehren und sich der Miliz des Staates Ohio anschließen möchte.«
»Oh.« Ich spürte eine schmerzhafte Enge in der Brust und hatte Schwierigkeiten, Luft zu bekommen. »Danke, Vater. Ah… Könntest du mir zeigen, wie ich ihn anrufen kann – ich meine, wie ich in Rolla anrufen kann, um selbst
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