Segeln im Sonnenwind
war einfach unwohl, und ich beschloß, mein Kleingeld nicht mehr auf die Bank zu bringen. Brian, bewahrst du es für mich auf?«
»Hier im Haus könnte es gestohlen werden.«
»Und wenn es auf der Bank liegt, kann die Bank bankrott gehen«, warf Nelson ein.
»Wirst du nervös, Nel?«
»Möglich. Betty Lou, was denkst du?«
»Ich denke, ich werde meine fünfunddreißig Cent abheben, sie in einen Einmachtopf legen und im Hinterhof vergraben.« Sie unterbrach sich. »Und dann schreibe ich meinem Vater und erkläre ihm, was ich getan habe und wieso. Er wird nicht auf mich hören – er ist schließlich von der Harvard. Aber ich schlafe besser, wenn ich es ihm geschrieben habe.«
»Ein paar anderen müssen wir es auch erzählen«, meinte Brian.
»Wem?« fragte Nelson.
»Judge Sperling. Und meiner eigenen Familie.«
»Wir sollten es lieber nicht von den Dächern pfeifen. Das könnte eine Panik auslösen!«
»Nel, es ist unser Geld. Falls das Bankenwesen nicht damit fertig wird, wenn wir unser eigenes Geld abheben und uns draufsetzen, dann stimmt vielleicht irgendwas nicht mit dem Bankenwesen.«
»Ts, ts! Bist du ein Anarchist oder so was? Na ja, machen wir uns an die Arbeit. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«
Brian nahm die Sache so ernst, daß er sogar nach Ohio fuhr, auch wenn das sehr teuer für ihn war, wenn kein Kunde dafür aufkam. Dort sprach er mit seinen Eltern und Judge Sperling. Einzelheiten habe ich nicht erfahren, aber weder die Stiftung noch Brians Eltern erlitten durch die Börsenpanik von 1907 irgendwelchen Schaden. Später erlebten wir alle, wie der US-Fiskus durch die Intervention J. P. Morgans gerettet wurde und man letzteren dafür verleumdete.
In der Zwischenzeit wurden die Aktiva von Brian Smith & Co. nicht im Hinterhof vergraben, wohl aber im Haus eingeschlossen, und wir legten uns zum ersten Mal Waffen zu.
Berichtigung: Soweit ich mich erinnern kann, schafften wir uns damals zum ersten Mal Waffen an, aber möglicherweise irre ich mich auch.
Während Brian in Ohio war, nahmen Nelson und ich ein neues Projekt in Angriff, nämlich Artikel für Businessmagazine wie das Mining Journal, Modern Mining und Gold and Silver zu schreiben. Brian Smith & Co. schaltete kleine Anzeigen in jeder Ausgabe sämtlicher genannten Zeitschriften. Nelson hatte Brian erklärt, daß wir eine Menge freie Werbung bekommen könnten, wenn Brian Artikel für die einschlägigen Blätter schrieb. Diese enthielten etwa so viele Seiten mit Artikeln und Anmerkungen der Herausgeber wie mit Werbung. »Und bei Gott, das Zeug, das die schreiben, ist so abgestanden wie altes Spülwasser«, meinte Nelson.
Und so probierte es Brian. Ergebnis: abgestandenes Spülwasser.
Woraufhin Nelson bemerkte: »Brian, alter Freund, du bist mein verehrter Seniorpartner, aber macht es dir was aus, wenn ich es mal probiere?«
»Nur zu. Ich wollte es sowieso nicht tun.«
»Ich habe den Vorteil, gar nichts von Bergbau zu verstehen. Du lieferst mir die Fakten – die hast du ja. Sobald ich sie habe, würze ich sie mit etwas Mostrich.«
Nelson arbeitete Brians ernsthafte und sachliche Artikel über das, was ein Bergbauberater zu bieten hatte, in einem hochgradig respektlosen Stil um, und ich illustrierte sie mit kleinen Bildern, mit Cartoons, die ich Bill Nye nachempfand. Ich eine Künstlerin? Mitnichten; wohl aber hatte ich mir Professor Huxleys Ratschlag ( »A Liberal Education« – eine breitgefächerte Bildung) zu Herzen genommen und gelernt zu zeichnen. Und wenn ich auch nicht über eine künstlerische Ader verfügte, hatte ich mich doch zu einer kompetenten Zeichnerin entwickelt, die sich hemmungslos bei Mr. Nye und anderen bediente und dabei gar nicht bemerkte, daß sie Diebstahl beging.
Nelsons erster Versuch mit einer solchen Neufassung trug den Titel »Wie man durch Nachlässigkeit Geld spart« und behandelte alle möglichen greulichen Grubenunfälle – die ich illustrierte.
Das Mining Journal akzeptierte den Artikel nicht nur, sondern bezahlte ihn auch tatsächlich mit fünf Dollar, womit keiner von uns gerechnet hatte.
Nelson brachte schließlich ein Geschäft zustande, in dessen Rahmen Brians Verfassername (mit ihm als Ghostwriter) künftig in jeder Ausgabe erschien, zusätzlich zu einer viertelseitigen Anzeige an einer guten Stelle.
Später erschien ein Zwilling des oben genannten Artikels in The Country Gentleman (dem Provinzvetter der Saturday Evening Post )und erläuterte, wie man sich auf einer Farm das Genick brechen,
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