Sehen Sie, so stirbt man also
genau 15 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, hatte der Mossad Adolf Eichmann, den Organisator der „Endlösung“, endlich aufgespürt: Dieser hatte sich wie so viele Nazis nach Südamerika abgesetzt, genauer nach Buenos Aires, wo er unter dem Namen Ricardo Klement lebte. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs war Eichmann zunächst in der Lüneburger Heide untergetaucht und hatte sich als Holzarbeiter verdingt. 1950 dann war es ihm gelungen, sich in der Schweiz Identitätsdokumente des Roten Kreuzes ausstellen zu lassen. Mit diesen war er dann mit seiner Familie nach Argentinien eingereist.
Schon zu dieser Zeit stand Adolf Eichmann ganz oben auf der Liste der untergetauchten Nazigrößen, die weltweit vom Mossad gesucht wurden. Seit Einrichtung des israelischen Geheimdienstes 1949 war es eine seiner Hauptaufgaben, Nazi-Kriegsverbrecher, die sich den Prozessen in Nürnberg hatten entziehen können, zur Strecke zu bringen. Der berühmt-berüchtigte Nazijäger |117| Simon Wiesenthal hatte den Mossad auf die richtige Spur gebracht, weil einer seiner Kontaktleute Eichmann in Buenos Aires gesehen hatte. Außerdem hatte jener zwar seinen eigenen Namen geändert, aber nicht den seiner Frau und seiner Kinder.
Die Gefangennahme Eichmanns unterlag strengster Geheimhaltung. Argentinien und Israel verfügten 1960 über kein gemeinsames Auslieferungsabkommen, und so musste alles schnell und ohne viel Aufsehen, aber vor allem ohne Kenntnis durch die örtlichen Behörden vor sich gehen. Eichmann, der bei Mercedes-Benz arbeitete, sollte auf dem Fußweg vom Bus nach Hause festgenommen werden. Beinahe ging der Plan schief, weil Eichmann nicht in dem Bus war, den er normalerweise nahm, und ein Mossad-Agent, der so tat, als schraube er an seinem kaputten PKW herum, bereits von neugierigen Passanten befragt wurde, wer er sei. Zum Glück für die Agenten saß Adolf Eichmann im nächsten Bus. Er wurde zu Boden geworfen und mit einem Auto zum Flughafen gebracht. Dort wartete bereits eine El-Al-Maschine, die die Geheimagenten und Eichmann, dem man ein Betäubungsmittel gegeben und die Uniform eines Flugbegleiters angezogen hatte, nach Israel ausflog.
Nach der illegalen Aktion gab es scharfe Proteste seitens Argentiniens bei der UN, und die israelische Regierung versuchte sich herauszureden, indem sie es so darstellte, als hätten die Agenten als Privatpersonen gehandelt und nicht im Auftrag des Mossad.
Der Prozess gegen Eichmann vor dem Jerusalemer Bezirksgericht wurde zum weltweiten Medienspektakel und dauerte acht Monate. Im Verlauf des Prozesses spielte die deutsche Bundesregierung eine äußerst unrühmliche Rolle, indem sie durch einen als Journalisten getarnten Vertreter versuchte, auf die Veröffentlichung von Namen etwaiger deutscher Politiker mit NS-Vergangenheit seitens Eichmanns Einfluss zu nehmen. Wie der „SPIEGEL“ 2011 aufdeckte, sollte dadurch insbesondere von Bundeskanzler Konrad Adenauer Schaden abgewendet werden, hatte doch dessen Berater Hans Globke im Dritten Reich eng mit Eichmann zusammengearbeitet. Im Gegenzug für die Diskretion der israelischen Behörden zahlte die Bundesregierung im folgenden Jahr über 200 Millionen DM an Rüstungshilfen an Israel.
Eichmann wurde der Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und in 13 anderen Anklagepunkten für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Er ging in Revision, aber am 29. Mai 1962 wurde das Todesurteil bestätigt. Schon am 31. Mai wurde Adolf Eichmann in Ramla bei Tel Aviv erhängt. Danach wurde sein Leichnam verbrannt und die Asche außerhalb der israelischen Hoheitsgewässer ins Meer gestreut. Man wollte so jegliches künftiges Gedenken an den SS-Obersturmbannführer |118| verhindern. Kein Staat sollte sagen können, dass Eichmann auf seinem Grund und Boden begraben war.
Die letzten Worte
Adolf Eichmann verzichtete auf die traditionelle Henkersmahlzeit und ließ sich stattdessen eine Flasche Wein bringen. Gemäß Hannah Arendt, die dem Prozess als Beobachterin für US-Medien beiwohnte, waren Eichmanns letzte Worte vor dem Erhängen: „In einem kurzen Weilchen, meine Herren, sehen wir uns ohnehin alle wieder. Das ist das Los aller Menschen. Gottgläubig war ich im Leben. Gottgläubig sterbe ich.“ Ein ungeheurer Zynismus spricht aus diesen Worten. Allein Eichmanns Beteuerung, ein „gottgläubiges“ Leben gelebt zu haben, musste den Holocaust-Überlebenden wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen. Allerdings muss
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