Seherin von Kell
Für den Preis von ein paar Krü-
gen Bier werde ich Barak folgen können, wohin er sich auch begibt.
Ich kann nur hoffen, daß wir ihn einholen, bevor er Garion findet und alles ruiniert. Ich wünschte nur, das blinde Mädchen hätte ihm nicht gesagt, daß er nicht dabeisein darf. Man kann Barak am schnellsten zu etwas überreden, wenn man es ihm verbietet. Wenn er bei Garion wäre, hätte Belgarath ihn wenigstens am Zügelband halten können.«
»Und wie, meint Ihr, können wir ihn aufhalten, wenn wir ihn eingeholt haben? Sein Schiff mag ja langsamer sein als unseres, aber es ist auch größer und hat mehr Männer an Bord.«
»Greldik und ich haben uns das schon durch den Kopf gehen lassen«, antwortete Anheg. »Greldik hat eine besondere Ausrüstung im vorderen Laderaum. Sie läßt sich am Bug dieses Schiffes befestigen.
Falls Barak sich weigert, zu wenden, wenn ich ihm den Befehl erteile, wird ihn Greldik rammen. Mit einem sinkenden Schiff wird er nicht mehr weit kommen.«
»Anheg, das ist ungeheuerlich!«
»Nicht mehr als das, was Barak tun will. Wenn es ihm gelingt, zu Garion durchzukommen, wird Zandramas gewinnen, und wir enden alle unter der Fuchtel einer, die noch schlimmer ist, als es Torak war. Wenn ich die Seevogel versenken muß, um das zu vermeiden, würde ich es auch zehnmal tun.« Er seufzte. »Aber ich werde meinen Vetter vermissen, falls er dabei ertrinkt«, gestand er.
Königin Porenn von Drasnien hatte Markgraf Khendon, den Chef ihres Geheimdienstes, an diesem Morgen in ihre Privatgemächer beordert. Sie erteilte ihre Befehle in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Jeden einzelnen, Javelin!« sagte sie gebieterisch.
»Ich will daß jeder Spitzel für den Rest des Tages aus diesem Flügel des Schlosses zurückgepfiffen wird!«
»Porenn!« keuchte Javelin. »So etwas hat es noch nie gegeben!«
»Dann ist es eben das erste Mal. Befehlt euren Leuten, auch alle Hilfsspitzel hinauszubefördern. Ich will, daß dieser Flügel innerhalb einer Stunde leer ist! Ich habe ebenfalls Spione, Javelin, und ich weiß, wo alle üblichen Verstecke sind. Fegt sie allesamt aus!«
»Ich bin bitter enttäuscht von Euch, Porenn. Monarchen behandeln den Geheimdienst nicht auf solche Weise. Habt Ihr eine Ahnung, wie sich das auf die Moral meiner Leute auswirkt?«
»Ehrlich gesagt, Khendon, die Moral Eurer Berufsschnüffler interessiert mich nicht im geringsten. Es geht um eine Sache von äußerster Dringlichkeit.«
»Hat Euch mein Geheimdienst je enttäuscht, Eure Majestät?« fragte Javelin gekränkt.
»Zweimal, soviel ich mich erinnere. Hat nicht etwa der Bärenkult Euren Geheimdienst infiltriert? Und haben Eure Leute nicht jämmerlich versagt, mich zu warnen, daß General Haldar die Seiten gewechselt hat?«
Javelin seufzte. »Nun gut, Porenn, manchmal sind uns einige Kleinigkeiten entgangen.«
»Ihr nennt es eine Kleinigkeit, daß Haldor zum Bärenkult überge-laufen ist?«
»Ihr seid heute unnötig genau, Porenn.«
»Ich will diesen Flügel geräumt haben, Javelin. Wollt Ihr, daß ich meinen Sohn rufe? Wir setzen eine Proklamation auf, die es auf Dauer verbietet, daß die königliche Familie bespitzelt wird!«
»Das würdet Ihr doch nicht wirklich wollen!« Javelins Gesicht war plötzlich kreideweiß. »Der ganze Geheimdienst würde zusammen-brechen. Das Recht, die königliche Familie zu bespitzeln, war stets die höchste Belohnung für hervorragende Leistungen! Die meisten meiner Leute lecken sich die Finger danach!« Er runzelte leicht die Stirn. »Silk hat sie allerdings schon dreimal abgelehnt«, fügte er hinzu.
»Und jetzt hinaus mit ihnen allen, Javelin – und vergeßt das angrenzende Gelaß hinter dem Wandteppich des Korridors nicht.«
»Wie habt Ihr das herausgefunden?«
»Kheva hat es entdeckt.«
Javelin stöhnte.
Wenige Stunden danach saß Königin Porenn ungeduldig in ihrem Privatgemach mit ihrem Sohn, König Kheva. Khevas Entwicklung schritt rasch voran. Seine Stimme war zu einem klangvollen Bariton gereift, und ein noch flaumiger Bart begann an seinen Wangen zu sprießen. Seine Mutter hatte ihn, was für die meisten Regenten ganz unüblich war, allmählich in den Staatsrat einbezogen und zur Teilnahme an Verhandlungen mit Abgesandten aus dem Ausland aufgefordert. Es würde nun nicht mehr lange dauern, bis sie ihn unmerklich und allmählich in den Vordergrund schieben und sich langsam aus der ungewollten Befehlsposition zurückziehen konnte.
Kheva würde ein guter König
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