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Seherin von Kell

Seherin von Kell

Titel: Seherin von Kell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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»Liselle und ich könnten natürlich so weitermachen wie bisher, aber mich mitten in der Nacht in ihre Schlafkammer zu stehlen, erscheint mir doch aus irgendwelchen Gründen ein bißchen unwürdig, außerdem habe ich sie dazu zu gern.«
    »Gern?« brummte Silk. »Ich liebe sie. Fühlst du dich jetzt besser, weil ich es dir offen gestanden hab'?«
    »Ich wollte nur klarsehen, weiter nichts. Ist dies das erste Mal, daß du es zugegeben hast – auch dir gegenüber?«
    »Ich habe immer versucht, es zu vermeiden. Könnten wir nicht von etwas anderem reden?« Er schaute sich um. »Ich wollte, er würde sich woanders ein Stück Luft suchen, wo er fliegen kann«, sagte er mißmutig.
    »Wer?«
    »Dieser verdammte Albatros. Er ist schon wieder da!« Silk deutete.
    Garion drehte sich um und sah den weißen Seevogel mit den gewaltigen Flügeln auf seinem Posten unmittelbar vor dem Bugspriet. Die Wolkenbank im Westen hatte sich im Lauf des Vormittags immer mehr ausgebreitet und verdunkelt, und mit ihr als Hintergrund schien der schneeweiße Vogel geradezu zu glühen.
    »Das ist merkwürdig«, murmelte Garion.
    »Ich wünschte, ich wüßte, was er vorhat«, knurrte Silk. »Ich gehe jetzt hinunter. Ich will ihn nicht mehr sehen.« Er ergriff Garions Hand. »Wir hatten Spaß«, sagte er rauh. »Paß auf dich auf.«
    »Du brauchst nicht zu gehen.«
    »Ich muß doch für all die anderen Platz machen, die bereits anste-hen, um mit Euch zu reden, Eure Majestät.« Silk grinste. »Ich glaube, du hast einen noch deprimierenderen Tag vor dir. Ich schaue mal nach, ob Beldin inzwischen ein Faß Bier aufgetrieben hat.« Silk winkte ihm vom Niedergang aus unbeschwert zu und verschwand nach unten.
    Silks Vorhersage erwies sich als nur allzu richtig. Einer nach dem anderen kamen Garions Freunde an Deck, um sich von ihm zu verabschieden, ein jeder absolut überzeugt, daß er es sein würde, dem der Tod prophezeit war. Wahrhaftig war es ein sehr deprimierender Tag.
    Die Abenddämmerung brach bereits ein, als die letzte Trauerrede überstanden war. Garion lehnte an der Reling und blickte auf das schillernde Kielwasser.
    »Ein schlimmer Tag, nehme ich an.« Silk hatte sich wieder zu ihm gesellt.
    »Ein furchtbarer. Hat Beldin Bier gefunden?«
    »Ja, aber ich empfehle dir, dich zu enthalten. Du brauchst morgen einen klaren Kopf. Ich bin bloß herausgekommen, um sicherzugehen, daß dich die ganze Schwermut, die unsere Freunde auf dich abgeladen haben, nicht auf die Idee bringt, dich ins Meer zu stürzen.« Silk runzelte die Stirn. »Was ist das?«
    »Was ist was?«
    »Dieses Donnern.« Er blickte zum Bug. »Da ist es«, sagte er angespannt.
    Der Himmel war nun, kaum daß der Abend eingesetzt hatte, fast schwarz, mit da und dort ein paar Flecken grellen Rotes, das Licht der untergehenden Sonne, die durch Wolkenlücken spitzte. Tief am Horizont war ein rostfarbener Schleier zu sehen, den ein Spitzenbe-satz aus weißem Gischt zierte.
    Kapitän Kresca kam mit dem wiegenden Gang eines Mannes herbei, der wenig Zeit an Land verbringt. »Dort ist es, meine Herren«, sagte er. »Das ist das Riff.«
    Garion starrte auf den Ort, der nicht mehr ist, und seine Gedanken und Gefühle überschlugen sich.
    Dann stieß der Albatros einen eigenartigen Schrei aus, einen Schrei, der beinah triumphierend klang. Der riesige, perlweiße Vogel senkte kurz die Schwingen, dann segelte er mit fast reglosen Flügeln auf Korim zu.

    19

    skatat, der Seneschall, eilte entschlossen durch die Korridore Odes Drojimpalasts zum Thronsaal Urgits, des Großkönigs von Cthol Murgos. Oskatats narbiges Gesicht wirkte düster. Er war besorgt. Vor der streng bewachten Tür zum Thronsaal hielt er an. »Ich möchte mit Seiner Majestät sprechen«, sagte er.
    Die Gardisten öffneten ihm hastig die Tür. Obwohl er in gegensei-tigem Einverständnis mit König Urgit nur den Titel Seneschall trug, wußten die Gardisten, wie überhaupt alle im Palast, daß er nach dem König der zweithöchste Mann in Cthol Murgos und der stell-vertretende Herrscher war.
    Er fand seinen rattengesichtigen Monarchen beim Geplauder mit Königin Prala und Königinmutter Tamazin, Oskatats Gemahlin.
    »Ah, da bist du ja, Oskatat«, begrüßte ihn Urgit. »Jetzt ist meine kleine Familie komplett. Wir haben uns über eine vollständige Re-novierung des Drojimpalasts unterhalten. All diese Edelsteine und die Tonnen von Gold an den Decken verraten schrecklich unfeinen Geschmack, findest du nicht auch? Außerdem brauche ich das

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