Seherin von Kell
nicht wie andere Steine.« Garion lächelte. »Es kann hin und wieder ein wenig unüberlegt sein. Es läßt sich von seiner eigenen Begeisterung mitreißen. Ich muß mit meinen Gedanken manchmal sehr vorsichtig sein. Wenn es glaubt, daß ich mir etwas sehr wünsche, neigt es dazu, von sich aus zu handeln.« Er lachte.
»Einmal grübelte ich über die Zeit nach, als Torak die Welt gespalten hat, und es begann mir zu erklären, wie ich sie wieder zusammenfügen könnte.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«
»O doch! Das Wort ›unmöglich‹ gibt es für das Auge nicht. Wenn ich es beispielsweise wirklich wollte, könnte es wahrscheinlich meinen Namen mit Sternen an den Himmel schreiben.« Er spürte ein leichtes Zucken am Gürtel. »Hör auf!« sagte er scharf zu dem Auge.
»Das war nur ein Beispiel, kein Wunsch.«
Zakath starrte ihn an.
»Würde das nicht verrückt aussehen, am Nachthimmel ›Belgarion‹
von einem Horizont zum anderen zu lesen?«
»Weißt du was, Garion«, sagte Zakath. »Ich hatte immer geglaubt, daß wir, du und ich, eines Tages gegeneinander Krieg führen würden. Wärst du sehr enttäuscht, wenn ich mich da zurückhalte?«
»Ich glaube, ich käme darüber hinweg.« Garion grinste ihn an.
»Wir könnten auch ohne dich anfangen. Hin und wieder kannst du ja mal vorbeikommen, um zu sehen, wie die Dinge laufen. Dann kann Ce'Nedra dir ein Abendessen bereiten. Sie ist natürlich keine sehr gute Köchin. Aber wir müssen schließlich alle Opfer bringen.«
Sie blickten einander an und fingen schallend zu lachen an. Was in Rak Urga mit Urgit begonnen hatte, war nun zu Ende geführt. Garion konnte sich zufrieden sagen, daß er die ersten Schritte getan hatte, den fünf Jahrtausende alten Haß zwischen Alornern und Angarakanern zu beenden.
Die Dalaser beachteten sie kaum, während sie auf Marmorstraßen, vorbei an schillernden Springbrunnen, dahinspazierten. Die Bewohner Keils gingen ihren Beschäftigungen bedächtig nach, und ihre Blicke schienen nach innen gekehrt zu sein. Sie redeten kaum etwas, was nicht mehr verwunderlich schien, nun, da die Gefährten wußten, daß laut zu sprechen kaum nötig war.
»Es ist eine gespenstische Stadt, findest du nicht?« fragte Zakath.
»Ich bin nicht an Städte gewöhnt, wo niemand etwas tut.«
»Oh, sie tun durchaus etwas.«
»Du weißt schon, was ich meine. Es gibt keine Läden, und man sieht niemanden auch nur die Straßen kehren.«
»Ja, das ist wohl ein bißchen merkwürdig«, gestand ihm Garion zu. »Noch eigenartiger finde ich jedoch, daß wir seit unserer Ankunft noch nicht einen Seher bemerkt haben. Ich dachte, die seien hier zu Hause.«
»Vielleicht gehen sie nicht auf die Straße.«
»Das wäre natürlich möglich.«
Auf ihrem Morgenspaziergang erfuhren sie nicht viel. Sie versuchten zwar hin und wieder ein Gespräch mit einem der weißgewandeten Bürger anzuknüpfen, doch so ausnahmslos höflich die Dalaser auch waren, trugen sie selbst wenig zur Unterhaltung bei. Sie be-antworteten Fragen, aber das war schon fast alles.
»Zum aus der Haut fahren, nicht wahr?« sagte Silk, als er und Sadi ins Haus zurückkehrten. »Ich bin noch nie im Leben so vielen Leuten begegnet, die absolut nicht am Plaudern interessiert waren.
Nicht einmal über das Wetter wollte sich irgend jemand auslassen.«
»Hast du zufällig gesehen, wohin Ce'Nedra und Liselle gegangen sind?« fragte ihn Garion.
»Irgendwohin zum anderen Ende der Stadt, glaube ich. Ich nehme an, sie kommen zurück, wenn die Mädchen uns das Mittagessen bringen.«
Garion schaute die anderen an. »Habt ihr irgendeinen Seher bemerkt?«
»Sie sind nicht hier«, antwortete Polgara. Sie saß am Fenster und besserte einen von Durniks Kitteln aus. »Eine alte Frau hat mir gesagt, daß sie an einem eigenen Ort leben, nicht in der Stadt.«
»Wie ist es dir gelungen, ihr diese Antwort zu entlocken?« fragte Silk.
»Ich ging direkt vor. Man muß die Dalaser ein wenig anstoßen, wenn man eine Auskunft haben will.«
Wie Silk vorhergesagt hatte, kehrten Sammet und Ce'Nedra mit den Mädchen zurück, die ihnen das Mahl brachten.
»Du hast eine kluge Frau, Belgarion«, sagte Sammet, nachdem die Dalaserinnen gegangen waren. »Jeder mußte glauben, sie hätte nicht ein Fünkchen Verstand. Den ganzen Morgen hat sie geplappert.«
»Geplappert?« entrüstete sich Ce'Nedra.
»Hast du etwa nicht geplappert?«
»Na ja, schon, aber ›plappern‹ ist gar nicht schmeichelhaft.«
»Ich vermute, es hat einen
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