Seherin von Kell
nichts wirklich Handfestes«, gab sie zu,
»aber ich fürchte, Genaueres bringen wir aus diesen Leuten nicht heraus. Heute vormittag sind Ce'Nedra und ich zu dem Haus zu-rückgekehrt, in dem diese jungen Frauen arbeiten. Sie webten alle, und das ist eine Beschäftigung, bei der man dazu neigt, etwas weniger wachsam als sonst zu sein. Jedenfalls war Onatel, das Mädchen mit den großen Augen, nicht dort, und Ce'Nedra hat ihre hohlköp-figste Miene aufgesetzt…«
»Habe ich nicht!« empörte sich Ce'Nedra.
»Hast du doch, und du hast es großartig gemacht. Wißt ihr«, wandte Liselle sich an die anderen, »sie stand da mit großen Unschuldsaugen und fragte die Mädchen, wo denn unsere ›liebe Freundin‹ sei, und da ist einer etwas über die Lippen gerutscht, was sie wahrscheinlich nicht hätte sagen sollen. Sie antwortete, daß Onatel befohlen worden war, bei den Sehern zu bedienen. Ce'Nedras Blick wurde noch einfältiger, und sie fragte, wo das denn sei. Niemand antwortete ihr, aber eine blickte auf den Berg.«
»Es läßt sich ja gar nicht verhindern, auf den Berg zu blicken!«
brummte Silk abfällig. »Ich glaube nicht, daß das so aufschlußreich ist, Liselle.«
»Das Mädchen webte, Kheldar. Ich habe ein paarmal gewebt und weiß, daß man da die Augen nicht von der Arbeit abwenden darf.
Sie aber hat auf Ce'Nedras Frage hin auf den Berg geblickt und dann erschrocken zurück zum Webstuhl. Auch ich war auf der Akademie, Silk, und kann in anderen fast ebensogut lesen wie du. Das Mädchen hätte es genausogut hinausbrüllen können. Die Seher sind irgendwo oben auf diesem Berg.«
Silk runzelte die Stirn. »Sie hat wahrscheinlich recht, wißt ihr«, gab er zu. »Das ist etwas, worauf in der Akademie großer Wert gelegt wird. Wenn man weiß, wonach man sucht, sind Gesichter offene Bücher.« Er straffte die Schultern. »Na also, Zakath, es sieht ganz so aus, als würden wir diesen Berg früher als erwartet erklimmen.«
»Schlag dir das aus dem Kopf, Kheldar«, sagte Polgara fest. »Du könntest dein halbes Leben in diesen Gletschern herumsteigen und die Seher doch nicht finden.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Sogar mehrere.« Sie erhob sich. »Komm mit, Garion«, forderte sie ihn auf. »Du ebenfalls, Ohm.«
»Was hast du vor, Pol?« fragte Belgarath.
»Wir werden uns dort oben umsehen.«
»Das habe ich doch gerade vorgeschlagen!« warf Silk ein.
»Ja, aber etwas anders, Kheldar. Im Gegensatz zu uns kannst du nämlich nicht fliegen.«
»Also wirklich!« sagte er gekränkt. »Wenn du es so siehst.«
»So sehe ich es, Silk. Das ist einer der Vorteile, wenn man eine Frau ist. Ich darf so allerlei unfaire Dinge tun, und du mußt sie hinnehmen, weil du zu ritterlich bist, dagegen aufzubegehren!«
»Ein Punkt für sie«, murmelte Garion.
»Das sagst du oft«, stellte Zakath verwundert fest. »Warum?«
»Das ist ein Witz unter Alornern.«
»Spar dir doch ein bißchen Zeit, Pol«, riet Belgarath. »Schau erst mal, ob du nicht eine Bestätigung in diesem Gruppenbewußtsein bekommen kannst, ehe du dich in die Lüfte schwingst.«
»Eine sehr gute Idee, Vater«, lobte sie. Sie schloß die Augen und hob das Gesicht. Einen Moment später schüttelte sie den Kopf. »Sie lassen mich nicht mehr hinein«, gestand sie seufzend.
»Das ist doch schon Bestätigung genug.« Beldin kicherte.
»Da komme ich nicht ganz mit«, gestand Sadi und rieb sich den frisch geschabten Kopf.
»Die Dalaser mögen ja weise sein«, erklärte ihm der bucklige Alte,
»aber sie sind nicht sonderlich schlau. Unseren beiden Mädchen ist es gelungen, etwas herauszufinden. Wenn das nicht stimmen wür-de, bestünde kein Grund, Polgara den Zugang zu verwehren. Aber daß sie nicht eingelassen wurde, kann nur bedeuten, daß wir in der Tat fündig geworden sind. Spazieren wir ein Stück aus der Stadt hinaus«, schlug er Polgara vor, »es braucht ja niemand auf unser kleines Geheimnis aufmerksam werden.«
»Ich fliege wirklich nicht sehr gut, Tante Pol«, sagte Garion ab-wehrend. »Muß ich unbedingt mit?« ' »Wir wollen kein Risiko eingehen, Garion. Falls die Dalaser diesen Ort unzugänglich machen, benötigen wir vielleicht das Auge zum Durchbrechen. Wenn du gleich mitkommst, sparen wir Zeit.«
»Oh, wenn es so ist.«
»Bleibt in Verbindung«, mahnte Belgarath, als sie das Haus verlie-
ßen.
»Natürlich«, brummte Beldin.
Als sie durchs Gras stapften, schaute der Zwerg sich um. »Wie wär's da drüben am Stadtrand? Das Dickicht
Weitere Kostenlose Bücher