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Seherin von Kell

Seherin von Kell

Titel: Seherin von Kell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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müßte uns vor Blicken schützen.«
    »Einverstanden, Ohm.«
    »Noch etwas, Pol«, fügte er hinzu. »Und ich sag es bestimmt nicht, um dich zu ärgern.«
    »Das wäre mal was Neues.«
    »Du bist aber heute gut in Form!« Er grinste. »Ich will nur sagen, daß ein Berg wie dieser sein eigenes Wetter macht - vor allem seinen eigenen Wind.«
    »Ja, Ohm, das ist mir bekannt.«
    »Ich weiß ja, wie gern du Schnee-Eulen magst, aber deren Federn sind zu weich. Wenn du in hohen Wind gerätst, könnte es leicht dazu kommen, daß du nicht bloß zerrupft, sondern völlig nackt zu-rückkehrst.«
    Sie bedachte ihn mit einem langen, festen Blick.
    »Möchtest du, daß dir alle Federn davongeweht werden?«
    »Nein, Ohm, das möchte ich nicht.«
    »Wie wär's, wenn du meinem Beispiel folgst. Vielleicht stellst du fest, daß es dir sogar Spaß macht, ein Falke zu sein.«
    »Ein blaugestreifter, nehme ich an?«
    »Das ist dir überlassen, aber Blau steht dir, Pol.«
    »Du bist unmöglich.« Sie lachte. »Na gut, Ohm, du sollst deinen Willen haben.«
    »Ich verwandle mich als erster«, erbot er sich. »Dann kannst du mich als Modell nehmen, damit du den Körperbau richtig hin-kriegst.«
    »Ich weiß, wie ein Falke aussieht, Ohm.«
    »Natürlich weißt du das, Pol. Ich will es dir doch nur möglichst leicht machen.«
    »Du bist zu gütig.«
    Es war ungewohnt, eine andere Form als die eines Wolfes anzunehmen. Garion musterte sich kritisch, stellte immer wieder Ver-gleiche mit Beldin an, der prächtig anzusehen auf einem Ast über ihnen saß.
    »Gut genug«, sagte Beldin schließlich zu ihm. »Aber mach das nächste Mal deine Schwanzfedern etwas voller. Du brauchst sie zum Steuern.«
    »Also gut, meine Herren«, sagte Polgara von einem nahen Zweig.
    »Fliegen wir los.«
    »Ich führe«, erklärte Beldin. »Ich habe mehr Erfahrung. Wenn wir in einen Abwind geraten, müßt ihr euch von der Bergwand fernhalten, wenn ihr nicht gegen die Felsen geschmettert werden wollt.« Er spreizte die Schwingen, flatterte versuchshalber, dann flog er los.
    Garion war bisher erst ein einziges Mal geflogen, und zwar die weite Strecke von Jarviksholm nach Riva, als Geran entführt worden war. Damals hatte er die Gestalt eines gesprenkelten Falken von der Größe eines Turmfalken angenommen, jetzt aber glich er in der Größe eher einem fast doppelt so großen Gerfalken, und durch eine Berggegend zu fliegen war ganz anders, als über die offene Weite des Meeres der Stürme zu segeln. Die Luftströmungen wirbelten und strudelten um die Felsen, wodurch sie unberechenbar, oder gar gefährlich wurden.
    Die drei Falken stiegen mit einem Aufwind hoch. Das war eine mühelose Art des Fluges, und Garion begann Beldins Freude am Fliegen zu verstehen.
    Er entdeckte auch, daß seine Augen unglaublich scharf waren. Er konnte jede Einzelheit der Bergwand deutlich erkennen, als befände sie sich unmittelbar vor ihm. Er sah Insekten und die einzelnen Blü-
    tenblätter von Blumen. Unwillkürlich zuckten seine Krallen, als ein kleines Nagetier über eine Geröllhalde huschte.
    »Vergiß nicht, weshalb wir hier sind, Garion!« hörte er Tante Pols Stimme in der Stille seines Geistes.
    »Aber…« Der Drang, mit gespreizten Krallen hinunterzustoßen, war schier unwiderstehlich.
    »Kein Aber, Garion. Du hast bereits gefrühstückt. Laß das arme Geschöpf da unten in Ruhe.«
    »Du nimmst der Sache ja den ganzen Spaß, Pol«, hörte Garion Beldin protestieren.
    »Wir sind nicht des Spaßes wegen hier, Ohm! Flieg weiter.«
    Der Windstoß traf Garion völlig unerwartet. Ein heftiger Abwind riß ihn in die Tiefe auf einen Felshang zu. Erst im letzten Augenblick gelang es ihm auszuweichen. Der Abwind schleuderte ihn dahin und dorthin, zerrte an seinen Schwingen, und plötzlich setzte ein peitschender Regen ein, und eisige Tropfen schlugen wie große schwere Hämmer auf sein Gefieder.
    »Das ist nicht natürlich, Garion!« Er vernahm Tante Pols Stimme ganz deutlich. Verzweifelt blickte er sich um, aber er konnte sie nicht sehen.
    »Wo bist du?« rief er.
    »Nicht wichtig! Benutz das Auge! Die Dalaser versuchen uns abzuwehren.«
    Garion war nicht sicher, ob ihn das Auge an jenem seltsamen Ort auch hören konnte, an den es sich begab, wenn er seine Gestalt wandelte, aber er hatte keine Wahl, als es zu versuchen. Der peitschende Regen und die heulenden Luftströmungen machten es un-möglich, daß er auf dem Erdboden aufsetzte und seine eigentliche Gestalt annahm. »Sorg dafür, daß es

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