Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
genug.
Langsam erhoben sich die Männer, streiften ihre Umhänge über. Mathis ergriff seinen Treibstecken, und gemeinsam traten sie vor die Tür. Noch immer schien der neue Tag in einer nicht endenden Dämmerung zu liegen, die sich über die Glieder bis hinab ins Gemüt senkte.
»Ich werde dem Suchtrupp von Gabin folgen«, sagte Yann und wies gen Süden. »Sie sind vor nicht allzu langer Zeit aufgebrochen.« Der Schmied schwieg einen Augenblick und setzte erneut an. »Ich nehme an, dass du wieder Schmerzen in deinem Bein hast, sonst wärst du sicher im Wald, um unseren Sohn zu suchen. Aber sollte sich dein Zustand bessern, Mathis … Könntest du dann mein Pferd nehmen, um den Spielleuten zu folgen? Marie wird keine Ruhe geben, bis man nach ihnen sucht, doch ich kann sie in ihrem Zustand nicht länger allein lassen. Du hast sie ja gesehen.«
»Wie geht es dir, Yann? Wirst du denn zurechtkommen?« Mathis sah das Erstaunen auf dem Gesicht des Schmieds, dass irgendwer darüber nachzudenken schien, wie es ihm, dem Vater, erging.
»Es wird schon gehen.« Yann nickte, und seine Unterlippe zitterte.
Schloss Troyenne
D as neue Jahr begann wie das alte, als wäre es nicht viel mehr als die gelungene Nachbildung eines
begnadeten Kopisten. Bérénice hatte gehofft, dass der Druck auf ihrer Brust nachlassen würde, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessenwürde es noch Tage dauern, bis die letzten Gäste endlich abgereist waren, Tage voller sinnentleerter Gespräche und öder
Gesellschaftsspiele mit Menschen, die sie kaum kannte. Doch es waren nicht die Gäste, die Bérénice unruhig machten, der Grund hierfür saß neben ihr, direkt vor dem Kamin und starrte ins Feuer. Die auf und ab springenden Flammen warfen zuckende Schatten über sein nahezu erstarrtes Gesicht.
»Hat das Fest dir gefallen?«, fragte Amédé in die Stille hinein.
Tagelang hatte Amédé kein Wort über das Fest verloren, und nun war es so weit: Er wollte ihre Meinung hören. Bérénice wog die Möglichkeiten einer Antwort ab. Einfach war die dreiste Lüge, gleichermaßen denkbar auch eine verpackte Mahnung. Sie entschied sich für die Wahrheit: »Das Fest hat mir sehr zugesagt, es war wohlfeil vorbereitet, alles war gut gewählt und sehr gefällig arrangiert.«
Ein Lächeln huschte über Amédés Gesicht, als er den Kopf hob und zu ihr hinaufschaute.
Für einen Moment kam sie sich schäbig vor, doch sie konnte nicht an sich halten und schob nach: »Es war alles schön, wirklich schön, aber aus diesem Grund auch schön teuer.«
Das Lächeln, dieses kleine Fünkchen Glückseligkeit, erstarb.
»Ja, du warst ein guter Gastgeber. Wieder einmal hast du allen gezeigt, dass der Baron de Troyenne großzügig und wohlhabend ist, dass er zu feiern versteht. Aber ich sagte es dir schon einmal: Wir haben das Geld nicht. Wie willst du all den Firlefanz bezahlen?«
»Für Geld ist gesorgt«, antwortete Amédé und wandte sich wieder dem Feuer zu. »Auch ich habe dir schon einmal gesagt, dass du dir um diese Dinge keine Gedanken machen musst.« Eine Falte bildete sich zwischen seinen Brauen. »Nein! Ichmuss es dir wohl deutlicher sagen: Du hast dir gefälligst keine Gedanken um diese Dinge zu machen!«
Bérénice lachte auf, und selbst in ihren Ohren klang es gehässig. »Lass mich raten, du bist wieder dabei, eines der Anwesen zu verkaufen. Habe ich recht?«
Das Nicken war kaum erkennbar.
Bérénice sog die Luft ein. »Wer ist der Käufer? Ist es wieder Herzog Johann und vorneweg sein geldgieriger Bischof?«
Erneut sah sie ein schwaches Nicken.
»Zu welchem Preis? Hast du dieses Mal wenigstens verhandelt? Sie haben dich schon beim letzten Mal übervorteilt.«
Amédé zuckte die Schultern, sah sie weiterhin nicht an.
»Hast du jemals darüber nachgedacht, deine Garde zu verkleinern? Die Kerle, wie viele sind es? Egal, jeder von ihnen ist einer zu viel, das ist sicher. In Zahl und Ausstattung stünden diese Berittenen eher einem Herzog an. Amédé, was glaubst du, was wir dadurch an Geld sparen könnten, wie viele Gold-Ecus uns dann zur Verfügung stünden? Wir könnten endlich wieder einen Kämmerer in unsere Dienste nehmen, der sich um unsere Finanzen kümmert.«
»Nein, das kommt nicht infrage. Die Engländer, dieses elende Pack, sie werden nicht eher Ruhe geben, bis sie ihren König auf unserem Thron sehen. Ich habe eine Verantwortung dem König und dem Land gegenüber, gerade jetzt, wo der König die Engländer so erfolgreich
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