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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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ziehen, in denen dann nichts als Stroh gedeiht. Sicher seid Ihr bei Magister Lacante in besten Händen, er wird Euch ein guter Berater in der Not sein.«
    Für einen kurzen Moment hoben sich die Mundwinkel des Bauern ein winziges Stück in die Höhe, dann saß wieder die Maske des Ernstes auf seinem Gesicht.
    Für einen kurzen Moment wünschte Julien, dieses Gespräch vor der Tür fortzuführen, mit den Mitteln, die Männer nutzten, wenn die Worte versagten.

    Catheline stieß den Fensterladen auf, und ein Blick genügte: ein tief verhangener Himmel und ein Tageslicht, das bestenfalls als trübe durchgehen konnte. Nichts, aber auch gar nichts trug dazu bei, die Stimmung, die sich mit dem Beginn des Jahres über das Dorf gelegt hatte, zu ändern.
    Die Sonne wollte nach den ersten Tagen, in denen sie warm und hell vom Himmel gelacht und leere Versprechungen vom Frühling gemacht hatte, nicht mehr hinter den Wolken hervortreten. Tag um Tag fiel immer wieder Regen, der Wege und Wiesen in braun-düsteren Morast verwandelte.
    Auf dem Weg, der an der Pfarrei vorbeiführte, war Martin mit dem Wagen des Schmieds im Schlamm stecken geblieben. Sie hörte ihn fluchen, weil seine Versuche, den Wagen anzuschieben, scheiterten. Wütend drosch er auf das Pferd ein.
    Catheline schlüpfte in ihre alten Schuhe, öffnete die Tür und sprang über Pfützen hinweg zum Wagen.
    Martin fuhr herum, als sie ihn erreichte. Erst als er begriff, wer vor ihm stand, atmete er tief durch, fast als wäre er erleichtert. Seine Augenbrauen schienen heute noch buschiger als sonst aus seinem Gesicht zu wuchern, ein Anblick, der ihn fast bedrohlich wirken ließ.
    »Was drischst du hier auf dem Pferd herum? Dadurch wird es nicht weiterkommen«, wies ihn Catheline zurecht.
    Martin befeuchtete mehrfach mit der Zunge die gesprungenen Lippen, bevor er auch nur ein Wort hervorbrachte. »Hilf mir«, flüsterte er. »Lass uns den Wagen auf den Hof der Pfarrei schieben, schnell! Bevor uns jemand sieht!«
    Bisher war es Catheline nicht aufgefallen, doch jetzt stach ihr die Ladefläche des Wagens ins Auge. Sie war leer bis auf ein dreckiges Tuch, eines, das sich leicht wölbte und unter dem zwei Beine hervorschauten. Verschlammte, dreckige Beine, beidenen die Fäulnis bereits eingesetzt hatte. Der Gestank war erbärmlich.
    In Cathelines Bauch bildete sich ein Knoten, der sich schlagartig löste und sich seinen Weg suchte. Mit den Schuhen scharrte sie das Erbrochene zu, als Martin ihr zuraunte: »Hör auf damit, lass uns beide den Wagen hinten anpacken. Wenn wir ihn gemeinsam anschieben, könnten wir es schaffen. Du bist ein kräftiges Weib, lass es uns versuchen.«
    Wie verlangt, packte Catheline das nasse, splitterige Holz und schob mit Leibeskräften. Schob mit Martin den Wagen samt Raymonds stinkenden Überresten aus dem Schlamm. Sie spürte, dass ihre Schuhe durchweichten, wie ihr Rock sich bis auf Kniehöhe mit Nässe vollsog. Kaum dass die Räder wieder auf dem Boden griffen, lenkte Martin den Wagen über den Friedhof bis hinter die Kapelle.
    »Ich werde Mathis holen«, sagte er dann nur und verfiel fast in einen Laufschritt.
    »Du kannst mich doch nicht hier allein lassen«, schrie Catheline auf, rannte ihm hinterher und riss wutentbrannt an seinem Umhang.
    Martin fuhr herum. »Und ob ich das kann!«, brüllte er. »Ich habe ihn auch alleine gefunden, oben am Wasserlauf. Da warst du auch nicht dabei, um mir die Hand zu halten. Und ich habe ihn ausgegraben, nur ein Arm schaute heraus, ein verfaulter Arm, der Rest war noch mit Dreck und Steinen bedeckt. Allein habe ich da gestanden, da oben. Und niemand hat mein Rufen gehört. Und niemand war da, als ich das, was noch von Raymond über ist, gepackt habe. Als er mir aus den Armen glitt … und … und die Hälfte von ihm an mir hängen blieb.«
    Unwillkürlich ließ Catheline Martin los und trat einen Schritt zurück. Tatsächlich war der Brustbereich seines Umhanges großflächig dunkel verfärbt, die einzelnen Fasern teilsverschmiert und teils verkrustet. Ein Anblick, für den Catheline keine Worte kannte, aber ihr Magen begann erneut, sich zusammenzuziehen.
    Martin zerrte sich den Umhang ab, als würde er erst jetzt begreifen, was er am Leib trug. »Den kann ich nur noch verbrennen«, sagte er und ließ ihn vor Cathelines Füße fallen. »Und wie Yanns Wagen aussieht … Ich will gar nicht daran denken. Auf ewig wird nun Raymond, sein eigener Sohn, mit ihm unterwegs sein, wenn er den Wagen anspannt. Holz

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